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Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Fallanalysen<br />

Auch hätte er für die Spitalaufenthalte und Medikamente seiner psychisch kranken Mutter<br />

aufkommen müssen, was mit seinem dortigen Einkommen nicht möglich war. Als er sich in<br />

der Schweiz eingelebt hatte und Geld verdienen konnte, kam seine Frau nach. Lucias Eltern<br />

hatten von Beginn an keine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz und auch nie einen<br />

Asylantrag gestellt. Sie verzichteten auf einen solchen Antrag, weil sie sich sicher waren,<br />

dass sie keine Chance hätten, Asyl zu bekommen, da sie nicht aus politischen, sondern aus<br />

wirtschaftlichen Gründen migriert waren.<br />

Der Vater arbeitet hier in der Schweiz auf dem Hoch- und Tiefbau. Die Mutter geht jeweils<br />

am Morgen, wenn Lucia in der Schule ist, für zwei bis drei Stunden in verschiedenen<br />

Privathaushalten putzen. Sie ist aber immer zu Hause, wenn Lucia nicht in der Schule ist.<br />

Daher brauchen sie auch keine weitere Unterstützung in der <strong>Kinder</strong>betreuung. Als Lucia<br />

noch nicht zur Schule ging, nahm die Mutter sie mit zur Arbeit. So kann sie es auch heute<br />

noch machen, wenn sie einmal während der Freizeit Lucias arbeiten muss.<br />

Die Eltern haben lange Zeit nicht mit Lucia über ihre Aufenthaltssituation gesprochen. Der<br />

Vater meint jedoch, es sei ihr schon lange bewusst gewesen, was ungefähr die Situation ist,<br />

sie habe alles gemerkt und alles gewusst. Zur Zeit des <strong>Interview</strong>s sind die Eltern seit<br />

wenigen Wochen in einer neuen Situation. Der Vater war in eine Polizeikontrolle gekommen<br />

und wurde registriert. Die Familie hat darauf hin ein Härtefallgesuch eingereicht, jedoch noch<br />

keinen Bescheid erhalten. Sie sind demzufolge in einer abwartenden Position und wissen<br />

nicht, ob sie schon bald die Schweiz verlassen müssen, oder ob sie allenfalls sogar eine<br />

Aufenthaltsbewilligung bekommen. Dies hat dazu geführt, dass sie in der Zeit vor dem<br />

<strong>Interview</strong> vermehrt auch mit Lucia ihre Aufenthaltssituation thematisiert haben. Sie haben mit<br />

ihr darüber gesprochen, dass sie vielleicht nicht bleiben können. Die Eltern erzählen, dass es<br />

schwierig sei, mit Lucia darüber zu sprechen, da sie darauf immer sehr traurig werde und<br />

grosse Angst habe.<br />

Zu sich nach Hause darf Lucia keine Freundinnen einladen. Der Vater begründet dies damit,<br />

dass sie nicht wollen, dass andere <strong>Kinder</strong> sich lustig machen über Lucia, wenn sie erfahren,<br />

dass diese mit ihren Eltern in nur einem Zimmer lebt.<br />

Für die Zukunft Lucias wünschen sich die Eltern, dass sie nicht dasselbe Leben führen muss<br />

wie sie beide. Sie möchten, dass Lucia eine gute Ausbildung machen kann, mit der sie eine<br />

gute Arbeit findet und ein sicheres Leben führen kann, „que tiene una vida segura“. Sie soll<br />

einen Universitätsabschluss machen können. Sie wünschen sich auch, dass Lucia lernen<br />

kann, Musik zu machen, weil sie die Musik so gerne mag. Sie singt in der Kirche, manchmal<br />

alleine oder mit Playbackmusik. Auch möchte sie lernen Violine zu spielen. Die Zukunft<br />

Lucias ist der Hauptgrund, weshalb die Familie in der Schweiz bleiben möchte. Hier hat sie<br />

die Chance eine Ausbildung zu machen, die ihr das ganze Leben lang viel bringen wird.<br />

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