Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz
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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Theoretische und empirische Grundlagen<br />
geschlechtsspezifische Diskriminierung, Homosexualität, Familienzusammenführung,<br />
Emanzipation, Freiheit und Abendteuerlust werden als weitere Gründe genannt (vgl.<br />
Longchamp et al. 2005, S. 40). Die Migrationsgründe von <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong> unterscheiden sich<br />
nicht grundlegend von denjenigen legalisierter Migrantinnen und Migranten.<br />
Probleme und Schwierigkeiten, mit denen sie sich <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong> wegen ihres<br />
undokumentierten Aufenthaltes konfrontiert sehen, werden in verschiedenen Studien<br />
unterschiedlich gewichtet:<br />
Longchamp et al. schreiben: „Als Hauptprobleme von <strong>Sans</strong> <strong>Papiers</strong> werden die Illegalität,<br />
(‚Aufdeckungsgefahr’, Angst vor Polizeikontrollen, Angst vor Ausschaffung), die Abhängigkeit<br />
von Dritten (von Arbeitgeber, Verwandten und Herkunftsgemeinschaften), das hohe Risiko<br />
von sozialen und gesundheitlichen Problemen (Isolation, fehlende Integration, Druck von<br />
Angehörigen im Heimatland, Stress, mangelnde Gesundheitsvorsorge) die prekäre<br />
Lebensweise und fehlende Zukunftsperspektiven (schlechte Lohn- und Arbeitsverhältnisse,<br />
Unmöglichkeit der Zukunftsplanung, Bildung der <strong>Kinder</strong>), sowie der fehlende Rechtsschutz<br />
(Sozialversicherungen, Ausbeutungsgefahr) genannt“ (op. cit., S. 41).<br />
Auch Achermann/Efionayi-Mäder gehen davon aus, dass <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong> hauptsächlich mit<br />
den Problemfeldern der Regularisierung ihres Aufenthaltes, der Wohnsituation, der<br />
medizinischen Versorgung, der Arbeitsbedingungen und der Ausbildung der <strong>Kinder</strong><br />
konfrontiert werden. Diese Problemfelder bezeichnen sie aber allesamt als sekundär, weil<br />
die primäre Schwierigkeit im Leben der <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong> die Illegalität an sich darstellt. Dazu<br />
gehört die ständige Angst, entdeckt und weggewiesen zu werden (vgl. Achermann/Efionayi-<br />
Mäder 2003, S. 25-30).<br />
Achermann/Chimienti haben in ihrer Studie eine etwas andere Ausrichtung der<br />
Problemfelder. Neben der Angst vor Kontakten, die auch in den vorangehenden Studien<br />
genannt wird, fallen bei ihnen vor allem drei Problemfelder ins Gewicht: Diese sind erstens<br />
Einschränkungen im täglichen Leben durch die Papierlosigkeit. So ist es z.B. nicht möglich,<br />
an die Beerdigung einer Freundin zu gehen, weil die Rückkehr in die Schweiz danach ein zu<br />
grosses Risiko darstellen würde. Zweitens sind das Überleben und die Beschäftigung sehr<br />
prioritär im Leben der <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>. Wenn sie arbeitslos sind, ist ihre Lage schnell prekär<br />
und das Finden einer neuen Arbeit ist schwierig. Als drittes Problemfeld neben der Angst vor<br />
Kontrollen und der Ausschaffung wird von den interviewten Papierlosen die Abwertung<br />
genannt. So fühlen sie sich ungerechterweise als Gesetzesbrecher behandelt, sehen sie sich<br />
selbst doch als fleissige und korrekte Personen. Sie leiden darunter, als Kriminelle<br />
wahrgenommen zu werden. Für afrikanische Papierlose kommt noch die Stigmatisierung als<br />
‚Schwarze’ hinzu. Männer berichten, mit dem Vorurteil Dealer zu sein, konfrontiert zu<br />
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