Handbuch ökologischer Siedlungs(um) - Kennedy Bibliothek
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Wasser-Trinkwasserversorgung und Substitution<br />
- die Menge, Häufigkeit und qualitative Belastung der<br />
Niederschläge,<br />
- die zur Verfügung stehenden Flächen,<br />
- die Beschaffenheit, insbesondere aber die Durchlässigkeit<br />
des Bodens,<br />
- die Höhe des Grundwasserstandes und<br />
- die jeweils gültigen rechtlichen Bestimmungen.<br />
Diese Gegebenheiten bestimmen die im Regenwasserabflußdiagramm<br />
angegebenen Maßnahmen (Abb. 12).<br />
Ein Vergleich von drei Neubaugebieten, bei denen<br />
eine Regenwasserbewirtschaftung zur Anwendung kam,<br />
verdeutlicht, daß sich die Baukosten für die Kanalisation<br />
halbieren lassen, wenn in einem Neubaugebiet auf<br />
einen Regenwasserkanal verzichtet werden kann<br />
[Sämann-1995, 29-30]. Die Unterhaltungskosten sind<br />
bei beiden Verfahren, dem Anschluß an die zentrale<br />
Entwässerung und der dezentralen Retention und<br />
Versickerung ungefähr gleich hoch, wenn die Grünund<br />
Gehölzpflege in den Kosten für den Unterhalt der<br />
Retentionsflächen enthalten sind. Wenn ohnehin<br />
innerörtliche Grünzüge vorgesehen sind, werden diese<br />
Kosten nicht Bestandteil der Entwässerungskosten sein.<br />
Dann sieht die Rechnung für die dezentrale Lösung<br />
noch günstiger aus. Auch kann die Unterhaltung in<br />
vielen Fällen vom Grundstückseigentümer selbst<br />
durchgeführt werden, woraus sich weitere Einsparungen<br />
ergeben.<br />
Bei der Gestaltung mit Wasser können eine Vielzahl<br />
planerischer Elemente zur Anwendung kommen. In<br />
offenen Fallrohren wird rieselndes und gleitendes<br />
Wasser sichtbar. Anstelle von Kanälen führen offene<br />
Rinnen das Wasser in bestimmten Bereichen ab. Damit<br />
gelingt eine Differenzierung und Strukturierung<br />
befestigter Flächen, die oft weniger kompliziert ist als<br />
vermutet. Gleichzeitig werden diese Elemente auch zur<br />
Verkehrsberuhigung genutzt. Das Murmeln oder<br />
Glucksen des Wassers, ebenso wie Wellenspiele und<br />
Lichtreflexionen, sind belebende Elemente auf offenenen<br />
Grünflächen ebenso wie in bebauten Bereichen.<br />
Zur Versickerung dienen bepflanzte Mulden und andere<br />
Flächen mit Verbindung z<strong>um</strong> Erdreich.<br />
Allerdings sollte der planerische, bauliche und<br />
betriebliche Aufwand bei größeren Projekten auch nicht<br />
unterschätzt werden. Versickerungsflächen oder -rä<strong>um</strong>e<br />
müssen richtig konzipiert und berechnet werden, denn<br />
es handelt sich hier <strong>um</strong> eine Ingenieurleistung, die weit<br />
über die Bemessung eines Kanalnetzes hinausgeht und<br />
die fast immer eine intensive Koordination mit anderen<br />
Experten verlangt. Die Durchführung dieses Konzeptes<br />
ist daher maßgeblich davon abhängig, daß die gestalterischen<br />
Aspekte auch von Ingenieuren berücksichtigt<br />
werden und Architekten und Künstler die technischen<br />
Grundlagen verstehen.<br />
68<br />
Da sich die Versickerung und Retention von Regenwasser<br />
auf die Gestaltung von Architektur und Freiflächen<br />
stark auswirkt, sind einer nachträglichen Realisierung<br />
des Konzepts, außer in aufgelockerten Wohngebieten,<br />
enge Grenzen gesetzt. In innerstädtischen<br />
Wohngebieten lassen sich z<strong>um</strong> Beispiel durch die<br />
Entsiegelung der Innenbereiche oder die extensive und<br />
intensive Begrünung von Dachflächen Wege zur<br />
Versickerung und Retention des Regenwassers finden.<br />
An einer Beispielrechnung für Wien wurde von der<br />
Gruppe »ökoSieben« das Ausmaß und die Vorteile einer<br />
<strong>um</strong>fassenden Begrünung von Wiener Dächern dargestellt:<br />
Während bei einer herkömmlichen Dachfläche<br />
von 1.000 m 2 etwa 600.000 Liter Wasser ins Kanalnetz<br />
abfließen, hält eine begrünte Dachfläche rund 400- bis<br />
580.000 Liter zurück. Von den rund 57km 2 Dachflächen<br />
Wiens sind etwa 15 %, das heißt 8,5 km 2 Flachdächer.<br />
Legt man bei diesen einen Gründachanteil von 30 %<br />
zugrunde, so könnten diese jährlich mehr als 100<br />
Millionen Liter Regenwasser zurückhalten. Daraus<br />
ergeben sich für die Stadt zahlreiche Vorteile:<br />
- Entlastung der Kanalsysteme<br />
- Verringerung der Hochwasserspitzen<br />
- Reduzierte Schmutzbelastung der Vorfluter<br />
- Verbesserung des Stadtklimas<br />
- Verbesserung des Kleinklimas<br />
- Staubbindung<br />
Die bautechnischen Vorteile sind:<br />
- Ausgleich von Temperaturextremen<br />
- Schutz der Dachhaut vor UV-Einstrahlung, Luftschadstoffen,<br />
mechanischer Beschädigung<br />
- verbesserte Trittschall- und Luftschalldämmung<br />
- erhöhter Schutz vor Flugfeuer<br />
- Verbesserung des winterlichen und sommerlichen<br />
Wärmeschutzes.<br />
Da auch die wohltuende psychologische Wirkung von<br />
begrünten Dächern auf den Betrachter besonders in<br />
innerstädtischen Gebieten sehr hoch einzuschätzen ist,<br />
schlägt die Gruppe »ökoSieben« als konkrete Maßnahmen<br />
zur Förderung der Dachbegrünung die Behandlung<br />
von Dachbegrünungen in der Wiener Bauordnung und<br />
die Aufnahme von Dachbegrünungen in die Bebauungspläne<br />
vor [Brandl-96].<br />
In Neubaugebieten dagegen kann ein anderer Umgang<br />
mit dem Regenwasser von vornherein bei der<br />
Erschließung, Zuordnung und Gestaltung der Freiflächen<br />
sowie Dachform und Dachdeckung berücksichtigt<br />
und planrechtlich als Festsetzung im Bebauungsplan<br />
verankert werden.' 6<br />
16 Durch eine Versickerung erfolgt eine Anreicherung des Grundwassers<br />
und dies führt zu positiven Auswirkungen auf den