Handbuch ökologischer Siedlungs(um) - Kennedy Bibliothek
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Einführung<br />
Übersicht<br />
Declan <strong>Kennedy</strong> & Margrit <strong>Kennedy</strong><br />
»Es ist wichtig, daß der Mensch nie vergißt, daß ein<br />
Problem nur der individuelle 'Niveau-Unterschied<br />
zwischen einer Situation und einer Bewußtseinslage ist<br />
und deshalb den Menschen herausfordern soll, es durch<br />
einen Lernschritt zu erlösen ...so entpuppen sich die<br />
Probleme als die eigentlichen Antriebsräder der<br />
Evolution« [Detlefsen-1979, 116].<br />
Es gibt heute - im Gegensatz z<strong>um</strong> Anfang der Ökologiebewegung<br />
in den späten 70er und frühen 80er Jahren<br />
- einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber,<br />
daß ökologisches Planen und Bauen keine kurzlebige<br />
Modeerscheinung sein kann, sondern eine langfristige<br />
Zielsetzung aller am Bauen beteiligten Gruppen sein<br />
muß. Konzepte, Planungen und Vorschläge dazu gibt es<br />
in Hülle und Fülle. Konkrete Beispiele in relevanten<br />
Größenordnungen hingegen - also alles, was über das<br />
Einfamilienhaus oder eine kleinere Siedlung von 10 bis<br />
20 Häusern hinausgeht - sind noch immer rar. Die<br />
Masse des Neugebauten, aber auch die Erneuerung im<br />
Bestand, ist weit davon enfernt, das heute schon<br />
ökologisch Machbare konsequent <strong>um</strong>zusetzen. Im<br />
wesentlichen regieren vermeintlich ökonomische<br />
Marktgesetze, die ökologischen Kriterien keine Priorität<br />
einrä<strong>um</strong>en. Solange aber ökologisches Bauen ein<br />
Nischendasein in Modellprojekten fristet - hier für eine<br />
Bauausstellung, dort für eine Expo - wird sich der<br />
Ressourcenverbrauch nicht in dem Maße reduzieren<br />
lassen, wie es z<strong>um</strong> Beispiel die Agenda 21 des Umweltgipfels<br />
in Rio fordert.<br />
Sowohl die Studie »Sustainable Netherlands«<br />
[Nachhaltige Niederlande, Friends of the Earth-93], die<br />
erste Hochrechnung eines europäischen Landes, die<br />
zeigt, welchen Ra<strong>um</strong> die Niederländer mit ihren<br />
Kons<strong>um</strong>- und Verhaltensweisen eigentlich beanspruchen,<br />
als auch die Studie »Zukunftsfähiges Deutschland«,<br />
die zur Zeit beim Wuppertal Institut erarbeitet<br />
wird [Zahrut-94, 22], gehen vom Prinzip der globalen<br />
Egalität aus. Das heißt, jeder Mensch, ob in Afrika oder<br />
Nordamerika, in Asien oder Europa, hat den gleichen<br />
Ansprach auf sauberes Wasser, reine Luft und eine<br />
ausreichende Menge an Energie. Sie zeigen aber nicht<br />
nur, was wir schon seit langem wissen, daß die Menschen<br />
in den hochentwickelten Industrieländern ihr<br />
Umweltkonto bereits völlig überzogen haben, sondern<br />
auch, welche Reduktions-Ziele einer gerechten und<br />
Einführung - Übersicht<br />
<strong>um</strong>weltverträglich gestalteten Weltwirtschaft näher<br />
kommen.<br />
Die niederländische Studie verlangt eine 70prozentige<br />
Senkung des Ressourcenverbrauchs bis z<strong>um</strong> Jahr<br />
2010 und weist daraufhin, daß ressourcenschonende<br />
Techniken zwar helfen können, aber daß es ohne<br />
Verhaltensänderungen nicht gehen wird. Mit einem<br />
»Energiera<strong>um</strong>«, der jedem Menschen rein rechnerisch<br />
einen Liter Treibstoff pro Tag zuweist, kann ein Holländer<br />
im Jahr 2010 wählen, ob er täglich 25 km mit dem<br />
Auto fährt, 50 km mit dem Bus, 65 km mit dem Zug<br />
oder 10 km mit dem Flugzeug fliegen will.<br />
Wenn sich die Länder der dritten Welt ähnlich<br />
entwickeln würden wie die Industrieländer, würde sich<br />
ihr Anteil am Ressourcenverbrauch bei gleicher Bevölkerungszahl<br />
auf das 18fache erhöhen (Abb. 1). Unter<br />
der Annahme, daß es den Industrieländern gelingt,<br />
ihren Ressourcenverbrauch zu stabilisieren, beträgt das<br />
Verhältnis des Ressourcenverbrauchs der Dritten Welt<br />
das 36fache. Die Beschlüsse des sogenannten Erdgipfels<br />
in Rio und der nachfolgenden Klimakonferenzen in<br />
Genfund Berlin sehen eine Reduktion der C02-<br />
Belastung der Erdatmosphäre <strong>um</strong> 50% vor. Um dieses<br />
Ziel zu erreichen, müssen die Industrieländer ihren<br />
Ressourcenverbrauch <strong>um</strong> den Faktor 16, das heißt auf<br />
0.25 % ihres heutigen Verbrauchs reduzieren [Schmidt-<br />
Bleek-94].<br />
Die rasante technische und ökonomische Entwicklung<br />
einiger asiatischer Länder, insbesondere Chinas,<br />
wird unsere globalen Zukunftsaussichten nur dann<br />
positiv beeinflussen können, wenn die reichen Industrieländer<br />
zeigen, daß es eine Lebensweise gibt, die<br />
allen ein Überleben garantiert. In dieser globalen<br />
Abhängigkeit liegt eine der größten und dringlichsten<br />
Herausforderungen der Menschheitsgeschichte, denn<br />
die Zeit zu lernen und zu erproben wird immer knapper.<br />
Auch wenn es heute einen Konsens darüber gibt, daß<br />
Bauen naturverträglicher, das heißt <strong>ökologischer</strong>,<br />
werden muß, so gibt es noch keinen Konsens darüber,<br />
was das beinhaltet. Nachdem das Thema seit dem<br />
Beginn der 80er Jahre eine immer breitere Bedeutung<br />
gewonnen hat, ist auch das, was es <strong>um</strong>faßt, immer<br />
<strong>um</strong>fangreicher und zugleich verschwommener geworden.<br />
Selbst für diejenigen, die sich seit Jahrzehnten<br />
tagtäglich mit dem Thema »ökologisches Bauen«<br />
auseinandersetzen, ist es schwierig, auch nur in den<br />
Hauptanwendungsbereichen einen Überblick über die<br />
neuesten Entwicklungen zu behalten. Um wieviel<br />
schwieriger ist die Situation für praktizierende Architektinnen<br />
oder Entscheidungsträgerinnen, die im<br />
Kampf mit der Informationsflut zu allen Bereichen des<br />
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