Arbeitnehmerkammer <strong>Bremen</strong> oder (wie Birgit Pfau-Eff<strong>in</strong>ger es <strong>in</strong> ihren kulturvergleichenden Studien zu Geschlechterarrangements <strong>in</strong> Europa genannt hat) mit e<strong>in</strong>er Ideologie der Privatheit von K<strong>in</strong>dheit. „Das K<strong>in</strong>d gehört bis zum dritten Lebensjahr zur Mutter, – und beide <strong>in</strong>s Haus, sonst nimmt das K<strong>in</strong>d Schaden“, – dieser Satz sitzt fest <strong>in</strong> unsern, aber nur den deutschen Köpfen (bis h<strong>in</strong> zur völligen Fehl<strong>in</strong>terpretation der Studien aus den 30ger Jahren von Bowlby und Spitz über Hospitalismus von Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern, vorgenommen an im Gefängnis verwahrten K<strong>in</strong>dern von Gefängnismüttern, und dessen Prognosen schwerster Verhaltensschäden, die dann bei uns um<strong>in</strong>terpretiert wurden als generelle Folgen bei Betreuung kle<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der nicht durch die Mutter. In dieser Interpretation beleben sie noch bis vor nicht allzu langer Zeit auch die entwicklungspsychologische, pädagogische und k<strong>in</strong>dermediz<strong>in</strong>ischen Literatur). Spätestens seit PISA, der <strong>in</strong>ternationalen Vergleichsstudie 15jähriger, wissen wir, dass solche Prognosen falsch s<strong>in</strong>d: gerade Länder wie F<strong>in</strong>nland, wo K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Regel mit e<strong>in</strong>em Jahr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ganztagsk<strong>in</strong>derkrippe kommen, weil die Mütter dann wieder Vollzeit arbeiten, haben bei PISA besonders gut abgeschnitten. Abgesehen von der Gegenstandslosigkeit der entsprechenden ideologisch unterfütterten Ängste erzeugt auch der e<strong>in</strong>schneidende Wandel der Familienform <strong>in</strong> den letzten Jahren e<strong>in</strong>en Bedarf nach mehr <strong>K<strong>in</strong>derbetreuung</strong> schon im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter: jedes dritte K<strong>in</strong>d zeigt Verhaltensauffälligkeiten trotz der Mütter zu Hause, die K<strong>in</strong>der- und Jugenddepressivität nimmt zu, sagen die K<strong>in</strong>derärzte – und zwar als Folge der Überbehütung durch die Mütter und der E<strong>in</strong>zelk<strong>in</strong>dersituation. 61% der K<strong>in</strong>der bis zu zwei Jahren, für die <strong>in</strong> <strong>Bremen</strong> Erziehungsgeld gewährt wurde, hatten ke<strong>in</strong>e Geschwister, 25% nur e<strong>in</strong>s so der Sachstandsbericht 1999 „Tagesbetreuung für K<strong>in</strong>der unter drei Jahren <strong>in</strong> der Stadtgeme<strong>in</strong>de <strong>Bremen</strong>“ des Senators für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz (zit. n.: Landesverband Evangelische Tagese<strong>in</strong>richtungen für K<strong>in</strong>der: „Konzeption für die Betreuung und Förderung von K<strong>in</strong>dern unter drei Jahren <strong>in</strong> Evangelischen Tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> <strong>Bremen</strong>“, August 2000). Auch dieses drängt darauf, K<strong>in</strong>dern zusätzliche Formen der Gesellung, der emotionalen Zuwendung und Stabilität <strong>in</strong> Gruppenerfahrung zu ermöglichen: als H<strong>in</strong>tergrund für die Fähigkeit, <strong>in</strong> Aushandlungsprozesse zwischen Gleichaltrige zu gehen, als Teil also der Selbstentdeckung und –entfaltung, zu der die Mutter als e<strong>in</strong>zige Bezugsperson gegebene, nicht reicht, die ihrerseits dadurch meist gleichzeitig über- und unterfordert ist, zu bieten. „K<strong>in</strong>der brauchen K<strong>in</strong>der“, so auch das Motto der gerade zu Ende gegangenen Aktionswoche vom 01.06.2002, mit der der Deutsche Frauenrat und die Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen für die ganztägige Bildung und Betreuung für K<strong>in</strong>der aller Altersstufen geworben haben. Dass dies auch dem Erfahrungsstand der Mütter entspricht, war bereits Resultat e<strong>in</strong>er Untersuchung, die ich Mitte der 80iger Jahre zusammen mit Claudia Born und anderen, hier <strong>in</strong> <strong>Bremen</strong> „Zur Lebenssituation unter dreijähriger K<strong>in</strong>der und ihrer Eltern“ durchgeführt habe. E<strong>in</strong> Vergleich der Mütter, die ihr K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derkrippe, bei e<strong>in</strong>er Tagesmutter oder selbst betreut hatten, ergab die höchste Zufriedenheit mit der Krippenbetreuung, 8
9 Arbeitnehmerkammer <strong>Bremen</strong> Tagesmütter wurden wegen organisatorischer und emotional –pädagogischer Abhängigkeiten als schwierig bewertet, und die selbstbetreuenden Mütter betonten die Wichtigkeit, v. a. auch aufgrund des erfahrenen Mangels an Kontakten ihres K<strong>in</strong>des mit anderen K<strong>in</strong>dern (s. H. Krüger, C. Born u. a.:.“Privatsache K<strong>in</strong>d – Privatsache Beruf, Opladen 1987). Und nach jüngsten Umfragen wünschen sich etwa e<strong>in</strong> Drittel der Eltern unter 3-jähriger K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Westdeutschland e<strong>in</strong>en Krippenplatz (FAZ v. 19.04.2002) – und GUT muss er se<strong>in</strong>.