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Felix Kurz<br />

Shi Yankai „Man muss einen starken Willen haben“<br />

Tage wie diesen gibt es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz Henan häufiger, als es <strong>de</strong>n Menschen lieb ist. Doch jetzt hat<br />

es die Sonne trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> diesigen Wolkensuppe endlich einmal wie<strong><strong>de</strong>r</strong> geschafft. Ein paar Strahlen<br />

flimmern durch die Fenster <strong>de</strong>s Tempels <strong>de</strong>s Zweiten Patriarchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Chanbuddhisten.<br />

Shi Yankai, 30, sitzt in einer Ecke leicht nach vorne gebeugt an einem kleinen Pult. Er trägt die<br />

traditionelle orangefarbene Mönchskutte und darunter ein weißes T-Shirt. Ein paar Schriften liegen<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite und eine rund 20 Zentimeter große, grimmig blicken<strong>de</strong> Figur mit einem Donnerkeil in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hand steht davor. Sie soll die bösen Geister vertreiben. Damit die Dämonen Angst bekommen und<br />

verschwin<strong>de</strong>n, muss sie schon ziemlich garstig dreinschauen.<br />

Es herrscht eine angenehme Stille. Der Tempel gehört zum Shaolin-Kloster und liegt recht hoch auf<br />

<strong>de</strong>m Berg Shaoshi im Songshan-Gebirge. Ihn erreicht man mit einem Kabinenlift. Rund 25 Minuten<br />

dauert die Fahrt auf <strong>de</strong>n Berg. Nach einem sich daran anschließen<strong>de</strong>n<br />

15-minütigen Fußmarsch ist man am Tempel <strong>de</strong>s Zweiten Patriarchen<br />

angekommen. Der Sage nach kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Patriarch Hui Ke hierher,<br />

um sich von einer schweren Verletzung zu erholen. Er hatte sich seinen<br />

Arm abgehauen, damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bodhidharma ihn als Schüler aufnimmt.<br />

Um 1100 erbauten die Shaolin-Mönche diesen Tempel, um Hui Ke zu<br />

ehren. Früher lebte hier eine ganze Anzahl von ihnen. Doch im Laufe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit sind die Unterkünfte größtenteils zerfallen und auch am Tempel<br />

fin<strong>de</strong>n sich Risse im Mauerwerk und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Schä<strong>de</strong>n. So hausen hier<br />

gera<strong>de</strong> noch zwei Mönche in recht kargen Verhältnissen.<br />

Shi Yankai studiert im Tempel <strong>de</strong>s Zweiten Patriarchen Sutras, Regeln<br />

<strong>de</strong>s Chanbuddhismus. Ihm gefällt dieser Ort und er sucht ihn immer mal<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. „Wir wollen diesen Tempel irgendwann einmal restaurieren.<br />

Jetzt können wir uns das noch nicht leisten“, erzählt er und seine Hand<br />

zeigt auf einen morschen Balken, <strong>de</strong>ssen Farben ihre Kraft verloren<br />

haben und kaum noch erkennbar sind.<br />

Der Meister ist für die Immobilien, die Finanzen und die interne<br />

Organisation im Shaolin-Kloster verantwortlich. Er kümmert sich um<br />

alle Außenanlagen, die hauptsächlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz Henan, aber auch<br />

in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Provinzen Chinas liegen. Zu seinen Aufgaben gehören<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Einkauf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau neuer Shaolin-Tempel und die<br />

Instandhaltung und Renovierung <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Bauten.<br />

Trotz seines recht jungen Alters steht Shi Yankai in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hierarchie<br />

<strong>de</strong>s Shaolin-Tempels sehr weit oben. Er ist einer von zwei Leiten<strong>de</strong>n<br />

Mönchen, die <strong>de</strong>n Abt bei <strong>de</strong>ssen Amtsgeschäften vertreten dürfen.<br />

Er betreut wichtige Gäste aus aller Welt und erklärt diesen die Shaolin-<br />

Kultur. Außer<strong>de</strong>m leitet er häufig Delegationsreisen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mönche im<br />

Ausland. Ist er <strong><strong>de</strong>r</strong> Außenminister <strong><strong>de</strong>r</strong> Shaolin? „Nein, so kann man das<br />

nicht nennen“, antwortet er.<br />

Als 14-jähriger Jugendlicher verlässt er sein Elternhaus in Zhoukou und<br />

wechselt in <strong>de</strong>n Shaolin-Tempel. Sein Vater war im ersten Beruf Lehrer<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong><br />

14 Juni 2013

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