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Elisabeth G. Schmidt<br />

Angst<br />

Ich spüre, wie furchtbar dünn die Luft ist, die ich ganz vorsichtig einzuatmen versuche, <strong>de</strong>nn<br />

ich muss ganz leise sein, damit man mich nicht hört, ER mich nicht hört. Das Atmen fällt so<br />

ungeheuer schwer, und ich habe das Gefühl, langsam und qualvoll zu ersticken.<br />

Er, das ist mein Mann, <strong>de</strong>n ich vor Jahren aus Liebe geheiratet hatte und <strong><strong>de</strong>r</strong> sich schon am<br />

Hochzeitstag als rabiater und rücksichtsloser Despot entpuppte. Der mit seinen unberechenbaren<br />

Launen und brutalen Attacken gegen mich diese einengen<strong>de</strong> und ersticken<strong>de</strong> Angst in mir<br />

hervorgerufen hat.<br />

Gera<strong>de</strong> habe ich gehört, wie die Haustüre ins Schloss gefallen ist und ich weiß, er ist nach Hause<br />

gekommen. Gleich wird er die Schlafzimmertür aufmachen, und ich habe Angst, dass er, sollte<br />

er aus irgen<strong>de</strong>inem Grund auf mich aufmerksam wer<strong>de</strong>n, mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> misshan<strong>de</strong>ln wird, so, wie<br />

so oft zuvor.<br />

Die Schritte zum Schlafzimmer wer<strong>de</strong>n lauter, er kommt näher, es sind nur noch Sekun<strong>de</strong>n, dann<br />

wird die Tür aufgehen und er wird hereinkommen. Mir wird plötzlich schlecht, und ich habe das<br />

Gefühl, dass ich mich übergeben müsste. Ich versuche noch leiser und flacher zu atmen, um ihm<br />

nicht zu zeigen, dass ich da bin, dass es mich gibt, dass ich existiere. Die Angst umhüllt mich, die<br />

Luft wird immer dünner und mein Körper fängt an, unkontrolliert zu zittern. Schweißgeba<strong>de</strong>t liege<br />

ich unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Decke und weiß, ich kann ihm nicht entkommen.<br />

Er öffnet die Schlafzimmertür und ich versuche verzweifelt, lautlos zu atmen, damit er nicht an<br />

meine Anwesenheit erinnert wird. Es gelingt, und er geht zu seiner Seite <strong>de</strong>s Bettes, aber noch ist<br />

die Gefahr nicht gebannt, noch könnte er nach mir greifen, um sich mit Gewalt das zu holen, auf<br />

das er glaubt, ein Recht zu haben. Doch ich habe Glück, <strong>de</strong>nn schon kurze Zeit später verrät mir<br />

lautes Schnarchen, dass er eingeschlafen ist. Endlich kann ich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> atmen, mich langsam aus<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Umhüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Angst schälen. Auch mein Körper zittert nicht mehr, doch ich kann <strong>de</strong>n Mantel<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Angst nicht ganz abstreifen, <strong>de</strong>nn es gibt <strong>de</strong>n Morgen, <strong><strong>de</strong>r</strong> unweigerlich in ein paar Stun<strong>de</strong>n<br />

die Nacht vertreibt, und die Hölle an seiner Seite wird ein neues Kapitel aufschlagen.<br />

Es ist früher Morgen, und ich habe fast nicht geschlafen. So leise wie möglich gleite ich aus<br />

meinem Bett und bewege mich vorsichtig zur Tür. Ihn nur nicht aufwecken, ihn nicht in seinem<br />

Schlaf stören, nur nicht seinen Unwillen auf mich ziehen. Das erdrücken<strong>de</strong> und allumfassen<strong>de</strong><br />

Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Angst legt sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> fest um mich. Endlich habe ich es geschafft, und ich habe das<br />

Schlafzimmer verlassen.<br />

Er erwartet einen ge<strong>de</strong>ckten Frühstückstisch und ich beeile mich, alles für ihn vorzubereiten. Ihn<br />

nur nicht reizen, ihm keinen Grund geben, wütend zu wer<strong>de</strong>n. Die Zeit verrinnt und die Angst wird<br />

stärker. Je<strong>de</strong>n Moment wird er aufwachen, aufstehen und zu mir in die Küche kommen. Mein<br />

Körper ist vor Angst wie zugeschnürt, ich habe schon seit Wochen keine feste Nahrung mehr zu<br />

mir nehmen können, mein Magen versagt mir seine Unterstützung. Ich fühle mich wie gelähmt<br />

von diesem furchtbaren Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ohnmacht gegen seine Übergriffe. Ihm hilflos ausgeliefert zu<br />

sein, ihm und seinen unberechenbaren Launen und brutalen Attacken, nimmt mir meine ganze<br />

Kraft. Die panische Angst vor diesem Mann hat mich voll in ihrem Griff. Mittlerweile wiege ich nur<br />

noch 48 Kilo bei einer Größe von 172 cm.<br />

Dann, ich höre seine schweren Schritte, er reißt die Tür zur Küche auf und sieht mich, sieht<br />

seine Frau, die vor Angst zittert. Ein hässliches Grinsen auf seinem Gesicht zeigt mir, dass meine<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong><br />

74 Juni 2013

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