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verfolge ihre Schritte, da ich über sie ein Hörspiel schreiben will“, schreibt sie in ihrer Erzählung<br />
Die Nachbarin.<br />
Auf kleinst möglichem Raum erreicht sie große Verdichtung. Sie rafft ein ganzes Leben mit<br />
wenigen Sätzen zusammen wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> 1991 veröffentlichten Erzählung Christa: „Christa lebt allein<br />
und arbeitet nicht. Sie wünscht sich vor <strong>de</strong>m Miethaus einen Brunnen, aus <strong>de</strong>m Pfer<strong>de</strong> trinken.<br />
Es gibt Tage, da zieht sie <strong>de</strong>n Stecker <strong>de</strong>s Telefons heraus; niemand teilt ihr dann etwas mit: Sie<br />
hört keine menschliche Stimme. Sie ist eine Frau mit Affenaugen und einem Affenlachen.“<br />
A<strong>de</strong>lheid Duvanels Texte rütteln in schockieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Naivität wach. Ihre Prosa ist raffiniert unbeholfen<br />
während die Protagonisten mit schlafwandlerischer Sicherheit erscheinen.<br />
Bemerkenswert und zugleich gewöhnungsbedürftig ist, dass A<strong>de</strong>lheid Duvanels Erzählungen<br />
ohne Pointe auskommen müssen und häufig überraschend en<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählung Innenleben<br />
und Eigenleben fin<strong>de</strong>t sich dafür eine mögliche Erklärung: „Sie hatte am liebsten unvollständige<br />
Filme; sie betrachtete nur <strong>de</strong>n Schluss, da sie <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannte Anfang nicht interessierte – und<br />
dabei wusste sie, dass es einen Schluss gar nie geben konnte […] das En<strong>de</strong> war immer zugleich<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Anfang. Es gab keine Gera<strong>de</strong>n, es gab nur Kreise.“<br />
Das Lesevergnügen liegt also nicht im Spannungsbogen o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Höhepunkt –<br />
bei<strong>de</strong>s ist nur gelegentlich und eher in <strong>de</strong>n späteren Werken vorhan<strong>de</strong>n – son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in einzelnen<br />
Sätzen und Abschnitten, in <strong>de</strong>nen sie mit Vergleichen nicht spart: „Der Schlaf schlich herbei und<br />
legte sich so sanft neben ihn, wie keine Frau es tut“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählung Der Engel. „In einem Taxi<br />
fühlt sich Verena geborgen; sie sitzt gern vorne neben <strong>de</strong>m Fahrer, […]; die Zähluhr zeigt an, wie<br />
viel Geborgenheit kostet“ in Verena. „Norma ist schön wie eine Vase, die von einer weißen Hand<br />
getragen wird und die sich wünscht, fallen gelassen zu wer<strong>de</strong>n“ in Gna<strong>de</strong>nfrist. „Freun<strong>de</strong> hatte<br />
er keine […]. Benjamin schrieb Tagebuch: Die Augenblicke wur<strong>de</strong>n<br />
festgehalten, damit er und die Zeit nicht zerflossen und versickerten“ in<br />
Vom Recht, lebensuntüchtig zu sein.<br />
A<strong>de</strong>lheid Duvanels Texte gehen, in kleinen feinen Häppchen genossen,<br />
durchaus als Feinkost durch.<br />
Bibliographie:<br />
A<strong>de</strong>lheid Duvanel: Beim Hute meiner Mutter. Erzählungen.<br />
Mit einem Nachwort von Peter von Matt. München (Nagel & Kimche)<br />
2004. – ISBN 3-312-00332-6. 171 Seiten. 19,90 €.<br />
Marlene Schulz, *1961 in Hei<strong>de</strong>lberg. Studien <strong>de</strong>s belletristischen und journalistischen Schreibens.<br />
Stipendiatin am Institut für kreatives Schreiben in Bad Kreuznach. Lesungen auf unterschiedlichen<br />
Bühnen, u.a. Stalburgtheater Frankfurt, Burg Eppstein, Radio Rheinwelle, Buchmesse Frankfurt.<br />
Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum.<br />
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Juni 2013 79<br />
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