27.08.2013 Aufrufe

Download der aktuellen Ausgabe (Einzelseiten) - Experimenta.de

Download der aktuellen Ausgabe (Einzelseiten) - Experimenta.de

Download der aktuellen Ausgabe (Einzelseiten) - Experimenta.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rüdiger Heins<br />

Facebook – Netzwerkstörungen<br />

Facebookneuigkeiten vom 03. Juni<br />

9:23 Uhr: „Guten Morgen, ich koche mir jetzt einen Kaffee.“<br />

9:25 Uhr: „Dir auch einen guten Morgen, komme gera<strong>de</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Dusche!“<br />

9:29 Uhr: „Wie war‘s <strong>de</strong>nn in <strong><strong>de</strong>r</strong> Dusche?“<br />

9:31 Uhr: “Soll ich dich abtrocknen?“<br />

Dieser Dialog ist noch lange nicht zu En<strong>de</strong>. Dennoch erspare ich mir weitere Kommentare im<br />

Original zu zitieren, weil die Belanglosigkeit dieser – nennen wir es Unterhaltung – nimmt kein En<strong>de</strong>;<br />

nicht an diesem, und auch nicht an <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Morgen davor und danach. Zumin<strong>de</strong>st nicht auf<br />

Facebook, einem sozialen Netzwerk, das für viele Menschen zum virtuellen Lebensmittelpunkt<br />

gewor<strong>de</strong>n ist. Sie nehmen ernst, was da verkün<strong>de</strong>t wird und wollen ernst genommen wer<strong>de</strong>n, mit<br />

<strong>de</strong>m was sie verkün<strong>de</strong>n. Täglich und in je<strong>de</strong>m Augenblick, rund um <strong>de</strong>n Planeten.<br />

Gut, <strong>de</strong>nke ich, dass es Facebook gibt, einsame Menschen können, zumin<strong>de</strong>st digital ein „Guten<br />

Morgen“ in die Run<strong>de</strong> geben und sie bekommen prompt eine Antwort o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein „Like“. Der<br />

Einsamkeitspegel sinkt und <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufmerksamkeitspegel steigt <strong>de</strong>utlich an.<br />

Facebook ist eine imaginäre Familie, in <strong><strong>de</strong>r</strong> man und frau sich emotional austoben können.<br />

Facebook ist eine imaginäre Reibungsfläche, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> die User nach Belieben, per Mausklick ein-<br />

und aussteigen können.<br />

Eigentlich eine gute Sache, dachte ich 2011, als ich meinen Facebook Account angemel<strong>de</strong>t habe.<br />

Das ist doch ein soziales Netzwerk, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ich viele Menschen erreichen kann. Immerhin fast 800<br />

Millionen User weltweit (Stand September 2011).<br />

Auf Facebook wollte ich meine schriftstellerische Arbeit, die eXperimenta und das INKAS Institut<br />

kontinuierlich präsentieren, um eine Plattform zu haben, mich mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en zu vernetzen. Das war<br />

schon mein erster Irrtum: <strong>de</strong>nn in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel wollen sich dort die meisten als etwas Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />

darstellen, die sich da im Netz „bewegen“. Nichts gegen das Darstellen, aber da gibt es sehr viele<br />

Darsteller(innen), die nichts darzustellen haben. Kaiser und Kaiserinnen ohne Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>. Das erinnert<br />

mich an <strong>de</strong>n Satz von Andy Warhol:<br />

„Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch braucht einmal in seinem Leben einen Auftritt von zehn Minuten in <strong>de</strong>n Medien!“<br />

Was genau Warhol mit diesem Zitat meinte, möchte ich an dieser Stelle gar nicht <strong>de</strong>tailliert<br />

untersuchen. Ich kann nur für mich herausarbeiten, was dieser Satz in meiner Wahrnehmung zu<br />

be<strong>de</strong>uten hat, und interpretiere ihn <strong>de</strong>shalb so: „Da gibt es Menschen, die eine <strong><strong>de</strong>r</strong>art narzisstische<br />

Störung in ihrer Kindheit erlebt haben, dass sie selbst noch als Erwachsene <strong>de</strong>n Drang haben,<br />

von allen wahrgenommen zu wer<strong>de</strong>n!“<br />

Um es gleich vorweg zu nehmen: auch ich arbeite daran, meinem Narzissmus nicht zu viel<br />

Spielraum zu geben. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Folie <strong>de</strong>s Narzissmus ergibt sich meiner Ansicht nach ein schlüssiges<br />

Erklärungsmo<strong>de</strong>ll, das Facebook, sozusagen als Geschäftsi<strong>de</strong>e übernommen hat. In diesem<br />

digitalen Irrenhaus können sich alle gekränkten Narzisst(inn)en darstellen, wie sie wollen. Es stört<br />

nur die wenigsten, weil alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en User ähnlich agieren und gar nicht bemerken, wie gestört<br />

sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>e in diesem Netzwerk verhalten.<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong><br />

36 Juni 2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!