Johannisburger Heimatbrief 1979 - Familienforschung S c z u k a
Johannisburger Heimatbrief 1979 - Familienforschung S c z u k a
Johannisburger Heimatbrief 1979 - Familienforschung S c z u k a
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schlacht wurde der Kreis wieder frei und auch die Lupker Gemeinde kehrte zurück.<br />
--Gebäudeschäden waren vorerst nicht entstanden. Ausgeplünderte Wohnräume,<br />
leere Stallungen, leere Speicher und Vorratsräume ließen jedoch darauf<br />
schließen, daß wohl nur kleine Trupps in großer Eile am Werk waren. Unser bewährter<br />
Oberinspektor, Herr Peters, versuchte, den Betrieb wieder in Gang zu<br />
bringen. Die demolierten Einrichtungen, unzureichende Arbeitskräfte, Getreide<br />
und Raufutter zum größten Teil auf dem Halm, Unruhe, Angstpsychose und damit<br />
verbundene schlechte Arbeitsleistung. Diese Bemühungen wurden Ende oder<br />
Mitte Oktober 1914 (?) wieder unterbrochen und der Kreis erneut geräumt. Wieder<br />
begab sich der Lupker Treck auf die Flucht nach Norden und kam auf einem<br />
großen Gutsbetrieb in der Braunsberger Gegend notdürftig unter. Nun war der<br />
Kreis bis zur Februar-Winterschlacht in russischen Händen. Ich stand in dieser<br />
Zeit kurz vor meinem Schulabschluß (Obersekundareife), mein Bruder als Leutnant<br />
beim Jägerregiment zu Pferde Nr.12 im Westen bei der Kronprinzenarmee,<br />
und mein Vater tat Dienst als Batteriechef beim Ersatz-Feldartillerieregiment<br />
Nr.1, reitende Abteilung Königsberg. Mein Vater erhielt sofort Urlaub (ich auch),<br />
und durch Vermittlung der Landwirtschaftskammer vom Generalkommando die<br />
Passierscheine für die Reise in unsere befreite Heimat. Die Fahrt bis Lötzen ging<br />
glatt. Auf Grund der Passierscheine bekamen wir Plätze in dem ersten Militärzug,<br />
der nach Johannisburg abfuhr. Eine Eisenbahner- und eine Pionierabteilung befanden<br />
sich im Zuge. Im Schneckentempo (7 Stunden) begann die Fahrt. Vor<br />
jeder Station, Signal, Brücke wurde gehalten, die Bahnhöfe von den mitfahrenden<br />
Militäreisenbahnern und Pionieren besetzt und Hilfsmaterial ausgeladen. Eigenartigerweise<br />
war der Gleiskörper nicht beschädigt, und so erreichten wir im<br />
Morgengrauen unser Johannisburg. Bahnhofswache, ein Schlag Erbsen zum<br />
Frühstück, mit Ordonnanz Weiterschleusung durch mehrere Kontrollposten zur<br />
Kommandantur. Güterschuppen und Wasserturm als letztes russisches Widerstandsnest<br />
hatten unter Artilleriebeschuß gelegen und waren zerstört. Das<br />
Eckhaus Königsberger-, Schanzenstraße, Fleischerei Skrodski-Backendorf brannte<br />
noch teilweise, auf dem Markt biwakierten Kavallerie und Artillerie. Das Hotel<br />
Graf York war ein rauchender Trümmerhaufen. Die Kommandatur befand sich im<br />
Hotel Königlicher Hof. Nach Kontrolle der Ausweise und Ausstellung eines weiteren<br />
Passierscheines und in Begleitung eines Feldgendarmes wurden wir durch<br />
mehrere Kontrollposten weitergereicht und erreichten den Pissek-Fluß. Fahrbrücke<br />
und Eisenbahnbrücke waren gesprengt, und es war von Pionieren eine<br />
Notbrücke gebaut. Hier gab es einen längeren Aufenthalt, da eine Feldbäckereikolonne<br />
beim Überschreiten der Brücke war. Im Anschluß brachte uns<br />
der Begleiter bis zum neuen Schlachthof, wo eine Fuhrparkkolonne lag. Mein Vater<br />
war in Uniform und ließ sich bei dem Kolonnenführer, einem Rittmeister,<br />
melden, der uns mit Grog bewirtete und eine Britschka (russischer Beutewagen)<br />
zur Verfügung stellte. Mit einem Trainsoldaten und Fahrer begann unsere Fahrt<br />
nach Lupken. Querfeldein, vorbei an Granattrichtern, gefallenen Russen und<br />
Pferdekadavern, erreichten wir die Chaussee nach Lupken. Die Bauerngehöfte<br />
von Radtke und Podleschny waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt.<br />
Bei diesem Anblick sagte mein Vater: «Junge, wie wird unser Lupleen aussehen!»<br />
Wir erreichten die Lupker Grenze, durchfuhren den Wald vorbei am Waldfriedhof<br />
und sahen zu-erst das Schulgebäude: offene Türen, zerschlagene Fenster<br />
- aber es war noch da. Die Dorfstraße, sämtliche Gebäude standen noch, als<br />
wären sie gerade verlassen worden. Als wir in den Hof einfuhren, war es trotz der<br />
Oede ein beglückendes Gefühl.<br />
74<br />
Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V. - <strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>1979</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de