Du lebst nur zweimal
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<strong>Du</strong> <strong>lebst</strong> <strong>nur</strong> <strong>zweimal</strong><br />
Um sechs Uhr abends läutete die durchdringende Glocke vom Schloß; die<br />
Dämmerung legte sich wie ein dunkler Mantel über den Tag. Grillen begannen<br />
laut im Chor zu zirpen, und Geckos schnarrten im Buschwerk. Die rosafarbenen<br />
Libellen verschwanden, und große Kröten tauchten in Massen aus ihren<br />
Schlammlöchern am Seeufer auf. Soweit es Bond durch sein Guckloch erkennen<br />
konnte, schienen sie Stechmücken zu fangen, die durch die funkelnden Augen<br />
der Kröten angelockt wurden. Dann erschienen auch die vier Wächter wieder.<br />
In der Luft lag der vertraute Geruch eines Gartenfeuers, das sie vermutlich<br />
angezündet hatten, um die tagsüber gesammelten Abfälle zu verbrennen. Sie<br />
gingen zum Seeufer, fischten die zerlumpten Reste eines blauen Anzuges heraus<br />
und schüttelten unter fröhlichem Lachen lange Knochen aus den Fetzen ins<br />
Wasser. Einer der Männer rannte mit den Lumpen weg, wahrscheinlich, um sie<br />
in das Feuer zu werfen. Bond kroch unter die Säcke, als die anderen drei ihre<br />
Schubkarren den Abhang hinaufschoben und in der Hütte verstauten. Sie standen<br />
angeregt plaudernd in der Dämmerung, bis ihr vierter Kollege zurückkam; ohne<br />
die durcheinandergeworfenen Säcke im Schatten zu bemerken, marschierten sie<br />
hintereinander zum Schloß.<br />
Bond stand kurze Zeit später auf, streckte sich und schüttelte den Staub aus<br />
seinem Haar und seinem Anzug. Sein Rücken tat immer noch weh, aber der<br />
Schmerz wurde von dem alles überwältigenden Verlangen nach einer Zigarette<br />
überdeckt. Warum nicht! Es war vielleicht seine letzte! Er setzte sich, trank etwas<br />
Wasser, aß ein großes Stück des schmackhaften Dörrfleisches und nahm noch<br />
einen Schluck aus der Wasser-Flasche. Er zog sein einziges Päckchen Shinsei<br />
aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an, wobei er sie zwischen seinen<br />
hohlen Händen verbarg und das Streichholz schnell ausblies. Er zog den Rauch<br />
tief ein. Was für eine Wohltat! Noch ein Zug, und die Aussicht auf die Nacht<br />
erschien weniger entmutigend. Es würde alles gutgehen! Er dachte kurz an Kissy,<br />
die jetzt wohl gerade ihre Bohnen mit Fisch aß. Noch ein paar Stunden, und sie<br />
würde bei ihm sein. Aber was würde er in diesen paar Stunden erleben? Bond<br />
rauchte seine Zigarette, bis sie ihm die Finger verbrannte, drückte den Stummel<br />
aus und ließ ihn in einen Spalt im Boden fallen. Es war sieben Uhr dreißig. Bond<br />
begann mit seinen Vorbereitungen.<br />
Um neun Uhr verließ er sein Versteck. Der Mond tauchte wieder alles in<br />
schimmerndes Licht; bis auf das entfernte Brodeln und Zischen der Fumarolen<br />
und das gelegentliche unheimliche Schnarren eines Geckos war es still. Bond<br />
schlug den gleichen Weg wie in der Nacht zuvor ein, kam durch den gleichen<br />
Baumgürtel und schaute zu dem großen geschwungenen Gebäude auf, das zum<br />
Himmel emporragte. Er bemerkte zum erstenmal, daß der Warnballon an einem<br />
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