Du lebst nur zweimal
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Ian Fleming<br />
Er wandte sich an Kissy und verbeugte sich. »Wenn dieses wertvolle Produkt<br />
von einem Kunden verlangt wird, lasse ich ihn bei der Destillation zusehen.<br />
Sonst könnte er vielleicht auf den unwürdigen Gedanken kommen, daß das<br />
Fläschchen einfaches Wasser aus der Leitung enthält. Der Kröte bereitet es<br />
<strong>nur</strong> vorübergehende Unannehmlichkeiten, und sie wird heute abend mit einer<br />
Extraportion Fliegen oder Grillen belohnt.« Er ging zu einem Schrank und nahm<br />
eine kleine Tablettenschachtel heraus. »Dies hier ist Pulver aus getrockneter<br />
Eidechse. Beide zusammen in das Abendessen deines Geliebten geschüttet,<br />
sollten sich als unfehlbar erweisen. Zur Anregung seines Geistes und seiner<br />
Sinne aber kann ich dir für weitere tausend Yen ein vorzügliches Kopfkissenbuch<br />
liefern.«<br />
124<br />
»Was ist ein Kopfkissenbuch?«<br />
Der Händler ging zu seinem Schrank zurück und holte ein billig gebundenes<br />
Buch mit einem schmucklosen Einband. Kissy öffnete es. Ihre Hand fuhr zum<br />
Mund und sie wurde puterrot. Da sie aber ein vorsichtiges Mädchen war, das<br />
nicht betrogen werden wollte, blätterte sie weiter. Alle Seiten enthielten<br />
pornographische Stiche des Liebesaktes in allen <strong>nur</strong> möglichen Lagen. »Sehr<br />
gut«, flüsterte sie. Sie gab ihm das Buch zurück. »Packen Sie bitte alles ein.« Sie<br />
zog ihren Geldbeutel heraus und zählte ihm die Geldscheine in die Hand.<br />
Draußen im Laden überreichte ihr der alte Mann das Paket, verbeugte sich tief<br />
und schloß die Tür auf. Kissy dankte mit einer mechanischen Verbeugung und<br />
eilte aus dem Laden und die Straße hinunter, als hätte sie eben einen Pakt mit<br />
dem Teufel geschlossen.<br />
Bond erwartete sie auf dem Landesteg. Es war sein erster Tag ohne sie<br />
gewesen, und er hatte sie schmerzlich vermißt. Sie sprachen glücklich<br />
miteinander, während sie Hand in Hand am Ufer zwischen Netzen und Booten<br />
entlangschlenderten. Die Leute lächelten, als sie sie sahen, grüßten sie aber nicht.<br />
Hatte nicht der Priester angeordnet, daß ihr gaijin-Held offiziell nicht existierte?<br />
Und die Anweisung des Priesters war unumstößlich.<br />
Nach Hause zurückgekehrt, begann Kissy fröhlich ein Essen aus stark<br />
gewürztem sukiyaki, dem japanischen Nationalgericht zu bereiten. Es war<br />
nicht <strong>nur</strong> ein Festmahl, denn sie aßen selten Fleisch, es war auch eine<br />
Vorsichtsmaßnahme, weil Kissy nicht wußte, ob ihre Liebestränke irgendeinen<br />
Geschmack hatten. Sie wollte kein Risiko eingehen. Als das Gericht fertig war,<br />
schüttete sie mit zitternden Händen das braune Pulver und die Flüssigkeit in<br />
Bonds Portion und verrührte alles gut. Dann trug sie die Teller ins Zimmer, wo<br />
ihre Familie schon auf der tatami vor dem niedrigen Tisch saß.<br />
Verstohlen beobachtete sie, wie Bond jeden Bissen auf seinem Teller verzehrte<br />
und ihn dann mit etwas Reis sauberwischte. Er machte ein paar freundliche<br />
Bemerkungen über ihre Kochkunst, trank seinen Tee und zog sich in ihr Zimmer