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Du lebst nur zweimal

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<strong>Du</strong> <strong>lebst</strong> <strong>nur</strong> <strong>zweimal</strong><br />

Die Geisha »Bebendes Blatt«, die neben Bond kniete, neigte sich vor und küßte<br />

ihn sittsam auf die rechte Wange.<br />

»Das ist Betrug«, sagte James Bond streng. »<strong>Du</strong> hast versprochen, mir einen<br />

richtigen Kuß auf den Mund zu geben, wenn ich gewinne.«<br />

»Graue Perle«, die Madame des Hauses, die schwarzlackierte Zähne hatte<br />

und so dick geschminkt war, daß sie wie eine Figur aus einem No-Spiel wirkte,<br />

übersetzte. »Bebendes Blatt« bedeckte ihr Gesicht mit den schlanken Händen,<br />

als sei ihr eine ausgesprochene Obszönität zugemutet worden. Doch dann<br />

spreizten sich ihre Finger, und ihre kecken braunen Augen musterten Bonds<br />

Mund, als wollten sie das Ziel genau erfassen, und ihr Körper bog sich nach vom.<br />

Diesmal traf ihr Kuß Bond voll auf den Mund. Er war lang und zärtlich. Eine<br />

Einladung? Ein Versprechen? Bond erinnerte sich, daß man ihm eine »Kissen-<br />

Geisha« versprochen hatte. Anders ausgedrückt, bedeutete das: eine Geisha der<br />

niederen Kaste. Sie war zwar in den traditionellen Künsten ihres Berufs nicht<br />

sehr bewandert – sie war nicht in der Lage, heitere Geschichten zu erzählen, zu<br />

singen, zu malen oder Verse zu dichten. Aber im Gegensatz zu ihren kultivierten<br />

Schwestern war sie zu handfesteren Diensten bereit, natürlich in diskreter,<br />

ungestörter Umgebung und zu einem entsprechend hohen Preis. Aber für den<br />

primitiven, verdorbenen Geschmack eines gaijin, eines Fremden, war das weitaus<br />

sinnvoller, als wenn man seine Reize in einem tanka, einem einunddreißigsilbigen<br />

Vers, den er sowieso nicht verstand, mit knospenden Chrysanthemen auf den<br />

Abhängen des Fudschijama verglich.<br />

Der Beifall, der diese lüsterne Vorstellung begleitete, verebbte schnell. Der<br />

kraftvolle, untersetzte Mann im schwarzen yukata, im Seidenkimono, der Bond<br />

an dem niedrigen roten Lacktisch gegenübersaß, hatte seine Zigarettenspitze<br />

aus dem Mund genommen und neben seinen Aschenbecher gelegt. »Bondo-san«,<br />

sagte Tiger Tanaka, der Chef des japanischen Geheimdienstes, »jetzt werde<br />

ich Sie zu diesem lächerlichen Spiel herausfordern, und ich verspreche Ihnen<br />

im voraus, daß Sie nicht gewinnen!« Das flächige, faltige Gesicht, das Bond in<br />

den vergangenen Wochen so vertraut geworden war, lächelte ihn an. Das breite<br />

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