Du lebst nur zweimal
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Ian Fleming<br />
daß alt und jung dorthin wie zu einem Schrein pilgert?<br />
Die Polizei hat eine Sperre quer über die Straße errichtet. Die Botaniker, die<br />
zu Besuch kommen, müssen einen Paß vorweisen. Und trotzdem bahnen sich<br />
die Selbstmörder ihren Weg zum Schrein – über die Felder und durch die Sümpfe.<br />
Der gute Doktor ist natürlich sehr bestürzt. Er hat abschreckende Warntafeln<br />
mit Totenköpfen aufstellen lassen. Sie wirken wie Großanzeigen! Er hat sogar<br />
einen Heliumballon gekauft, der über dem Dach seines Schlosses schwebt.<br />
Die daranhängenden Bänder drohen unbefugten Besuchern mit gerichtlicher<br />
Verfolgung. Aber der Ballon lockt noch mehr Leute an. Hier wartet der Tod,<br />
verkündet er. Komm und bediene dich!«<br />
»Warum verhaften Sie ihn nicht, Tiger? Warum verbrennen Sie den<br />
Gruselgarten nicht?«<br />
»Verhaften – mit welcher Begründung? Weil er Japan diese einzigartige<br />
Sammlung seltener Pflanzen geschenkt hat? Den Besitz eines geachteten Gastes<br />
niederbrennen? Der Mann hat doch überhaupt nichts Böses getan. Wenn man<br />
jemand die Schuld geben will, dann dem japanischen Volk. Natürlich könnte er<br />
die Überwachung sorgfältiger durchführen lassen. Es ist auch irgendwie komisch,<br />
daß die Opfer jedesmal tot sind; gewöhnlich bleibt nichts übrig als ein Beutel<br />
verbrannter, aus den Fumarolen gefischter Knochen. Nach der Liste, die ich<br />
Ihnen gezeigt habe, sollte man doch annehmen, daß einige <strong>nur</strong> verstümmelt<br />
oder geblendet sind. Der Herr Doktor zeigt sich selbst über diese Tatsache<br />
sehr verwirrt. Er meint, daß bei Fällen von Blindheit oder Amnesie die Opfer<br />
wahrscheinlich aus Versehen in die Fumarolen stürzen. Vielleicht. Aber wie<br />
schon gesagt, seine Quote beträgt jetzt bereits über fünfhundert Menschen, und<br />
durch die unvermeidliche Publizität werden immer mehr Leute in das Schloß des<br />
Todes gelockt. Wir müssen das unterbinden.«<br />
44<br />
»Was ist bisher unternommen worden?«<br />
»Untersuchungskommissionen haben den Doktor besucht. Sie sind sehr höflich<br />
empfangen worden. Der Doktor hat darum gebeten, etwas zu unternehmen, um<br />
ihn vor diesen ungebetenen Besuchern zu schützen. Er klagt, daß sie seine<br />
Arbeit stören, wertvolle Zweige abbrechen und teure Pflanzen ausreißen. Er ist<br />
mit allen Maßnahmen einverstanden, wenn sie nicht gerade auf die Preisgabe<br />
seines Projektes hinauslaufen, das ihm so ans Herz gewachsen ist und von den<br />
japanischen Botanikern so geschätzt wird. Er hat sogar ein weiteres hochherziges<br />
Angebot gemacht. Er richtet eine Forschungsstätte ein – die Leute dafür wählt er<br />
natürlich selber aus –, um seinen Büschen und Pflanzen die Gifte zu entziehen<br />
und die Extrakte kostenlos einem geeigneten medizinischen Forschungsinstitut<br />
zu überlassen. Sie werden sicher wissen, daß viele dieser Gifte in verdünnter<br />
Form wertvolle Heilmittel sind.«<br />
»Aber was hat das alles mit Ihnen zu tun?« Bond wurde jetzt langsam schläfrig.