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Textsemantische Grundlagen der Analyse von Musikszenen und ...

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funktionalen Perspektive überlagern sich Funktionen, lassen sich in den<br />

verschiedenen Ebenen <strong>und</strong> Modalitäten des Diegetischen realisieren. Die<br />

Frage, ob eine Musik, die eine spezifische signifikative Leistung erbringen<br />

soll, in <strong>der</strong> erzählten Welt o<strong>der</strong> als Filmmusik, die dieser Welt parallelisiert<br />

o<strong>der</strong> metaisiert ist, erklingt, ist fast immer eine Entscheidung, die in <strong>der</strong><br />

Inszenierung getroffen wird. Es gibt einige Beispiele, die die Annahme<br />

nahelegen, dass es wenige Fälle gibt, die effektiv nur extradiegetisch<br />

auftreten können – man hat es dann immer mit Öffnungen <strong>der</strong> Erzählung in<br />

die Sphäre des Moralischen, des Politischen o<strong>der</strong> des Religiösen zu tun. 10<br />

<strong>und</strong> sich dann um ein extradiegetisches Orchester anreichert; in FOR ME AND MY<br />

GAL (USA 1942, Busby Berkeley) etwa proben die beiden Protagonisten (gespielt<br />

<strong>von</strong> Gene Kelly <strong>und</strong> Judy Garland) das Titellied; das Klavierspiel geht unmerklich in<br />

einen orchestralen So<strong>und</strong> über, die beiden beginnen zu tanzen – am Ende werden sie<br />

Partner sein. Altman (1987, 62ff; vgl. Buhler 2001, 41ff) spricht bei <strong>der</strong>artigen<br />

Stellen <strong>von</strong> einem audio dissolve (»akustische Blende«), bei <strong>der</strong> sich die modalen<br />

Grenzen des Diegetischen verwischen; in Altmans Terminologie ergibt sich eine<br />

Transformation vom Realen (dem initialen Darstellungs-Modus <strong>der</strong> Szene) zum<br />

Idealen (dem offen-fiktiven Modus des Tanzes im zweiten Teil <strong>der</strong> Sequenz), eine<br />

Verschiebung, die nach Altman sogar konstitutiv für das Musical-Genre ist; darum<br />

ist das diegetische Spiel eigentlich eine »bridge between time-bo<strong>und</strong> narrative and<br />

the timeless transcendence of supra-diegetic music« (Altman 1987, 67), die auf<br />

keine szenische Quelle mehr zurückzuführen ist. Für den Zuschauer bedeutet dieses,<br />

dass er insbeson<strong>der</strong>e durch die Musik permanent zwischen verschiedenen Ebenen<br />

<strong>der</strong> textuellen Signifikation lokalisiert wird; dass <strong>der</strong>artige audio dissolves<br />

zumindest latent reflexiv sind, dürfte evident sein. Es dürfte aber auch klar sein, dass<br />

es einer Lehre <strong>der</strong> referentiellen Modalitäten bedürfte, um dieses Spiel <strong>der</strong><br />

Transformationen <strong>und</strong> Verschiebungen des Realitätsstatus des Sichtbaren zu<br />

beschreiben, das insbeson<strong>der</strong>e durch die Filmmusik betrieben wird.<br />

10 Möglicherweise bilden Todesszenen ein Sujet, an dem eine Extradiegetisierung <strong>der</strong><br />

Musik beson<strong>der</strong>s naheliegt, vor allem, wenn es darum geht, die empathische<br />

Beziehung des Zuschauers zu <strong>der</strong> verstorbenen Figur noch einmal zu intensivieren.<br />

»Ich habe kürzlich den Film DIALOGUE AVEC MON JARDINIER (DIALOG MIT MEINEM<br />

GÄRTNER, Frankreich 2007, Jean Becker) gesehen [...]. Der Film ist frei <strong>von</strong><br />

(nondiegetischer) Filmmusik. Er handelt <strong>von</strong> einem naiven Arbeiter, <strong>der</strong> im Lauf des<br />

Films mit Mozart konfrontiert wird. Der angesichts seines Alters <strong>und</strong> des nahenden<br />

Todes lernt, sich mit dem ›Schönen‹ zu befassen. Erst ganz am Ende sehen wir den<br />

Mann, <strong>der</strong> nicht mehr laufen kann, liegend vor seinen Blumen im Garten. Er hat ein<br />

Transistorradio dabei, es spielt Mozart. Die Musik löst sich vom plärrenden Klang<br />

des Radios, beginnt die Szene zu dominieren, nimmt den vollen Umfang des 5.1-<br />

Klangvolumens an. Vom Diegetischen ›verschiebt‹ sie sich ins Nondiegetische (in<br />

einem musikfreien Film sowieso schon hochsignifikant). Sie überlagert den Tod des<br />

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 9, 2013 // 243

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