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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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Jedenfalls fing <strong>ich</strong> noch während der Schulzeit an, Marx und Engels zu lesen,<br />

das Kommunistische Manifest und die anderen kleinen Heftchen. Ich drängte<br />

m<strong>ich</strong> in der Schule auch immer darum, bei Referaten etwas in dieser R<strong>ich</strong>tung<br />

zu machen. In Biologie zum Beispiel hielt <strong>ich</strong> ein Referat über die Entstehung<br />

des Lebens. Dabei spielte dieser sowjetische Forscher Oparin eine wesentl<strong>ich</strong>e<br />

Rolle. M<strong>ich</strong> hat sehr beeindruckt, wie der das - ideologisch einwandfrei - erklären<br />

konnte: die Höherentwicklung aus der S<strong>ich</strong>t des Dialektischen Materialismus.<br />

In Gesch<strong>ich</strong>te machte <strong>ich</strong> ein Referat über die Entwicklung der KPD in der<br />

Weimarer Republik und in Gemeinschaftskunde über den historischen und dialektischen<br />

Materialismus. Das fand <strong>ich</strong> unwahrscheinl<strong>ich</strong> spannend und interessant<br />

und empfand eine große Sympathie für diesen politischen Ansatz.<br />

Mein positves Gefühl dem Kommunismus gegenüber passte auch gut mit<br />

dem technologischen Fortschrittsglauben zusammen, der s<strong>ich</strong> in dieser Zeit entwickelte.<br />

M<strong>ich</strong> hat zum Beispiel die damalige Überlegenheit der Sowjetunion in<br />

der Weltraumfahrt unheiml<strong>ich</strong> gefreut. Das war für m<strong>ich</strong> auch ein Beweis für<br />

die Überlegenheit des Systems: die schaffen das, ohne vorher groß darüber zu<br />

reden. Und die schießen auch n<strong>ich</strong>t nur eine kleine Apfelsine da hoch, sondern<br />

gle<strong>ich</strong> einen r<strong>ich</strong>tigen Satelliten von 80 Kilo mit einem Hund drin, das ist doch<br />

was.<br />

Ein entscheidender Punkt bei meiner Politisierung war die Ermordung von<br />

Ohnesorg. Wir saßen in der Studentenzeitung zusammen und dachten, irgendwo<br />

ist doch mit unserem kleinbürgerl<strong>ich</strong>en Bewusstsein etwas faul. Das hing weniger<br />

mit unserer Empörung über das Schah-Regime zusammen, sondern mit der<br />

Fehl- und Desinformation in den Medien. Die lügen s<strong>ich</strong> raus, dachten wir, das<br />

kann man so n<strong>ich</strong>t stehenlassen. Dahinter stand die liberale Vorstellung, dass<br />

man der Wahrheit zum Durchbruch helfen müsste. Also machten wir in einem<br />

Wahnsinns-Gewaltakt von sechsunddreißig Stunden eine Sondernummer mit<br />

dem Versuch, den Fall aus seriösen Quellen darzustellen ... Das hat bei vielen<br />

von uns etwas ausgelöst, auch bei mir: Man muss etwas machen. Man muss<br />

auch mehr machen, als nur bei einer Demo mitlatschen. Daraufhin fingen wir<br />

an, stärker politisch mit dem ASTA zusammenzuarbeiten, und organisierten<br />

auch gemeinsame Veranstaltungen.

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