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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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immer wieder Situationen, die <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstehen kann. Damit wirkl<strong>ich</strong> was anfangen<br />

konnte <strong>ich</strong> erst, als <strong>ich</strong> hier mit mehreren Leuten zieml<strong>ich</strong> regelmäßigen<br />

Gesprächsaustausch hatte und wir gegenseitig unseren Unterr<strong>ich</strong>t beobachteten<br />

und diskutierten.<br />

Beim zweiten Mal bekam <strong>ich</strong> dann die <strong>Chemie</strong>stelle hier und bin jetzt seit<br />

vier Jahren hier. Ich hab das Gefühl, in diesen letzten Jahren eine unheiml<strong>ich</strong>e<br />

Weiterentwicklung durchgemacht zu haben, besonders im Sinn von analytischer<br />

Aufarbeitung ... auch dessen, was eigentl<strong>ich</strong> bei mir gelaufen ist, mit den ganzen<br />

Sachen, die <strong>ich</strong> gemacht hab ... immer aus einer Hektik heraus, irgendwas zu<br />

machen, um m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t anpassen zu müssen, n<strong>ich</strong>t unterzugehen ... ohne dass<br />

<strong>ich</strong> hätte begründen können, warum <strong>ich</strong> das tue und was <strong>ich</strong> eigentl<strong>ich</strong> will. Von<br />

daher habe <strong>ich</strong> jetzt das Gefühl, in einer Phase meines Lebens zu sein, in der <strong>ich</strong><br />

mehr reflektieren kann und m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nur hektisch in irgendwelche Betriebsamkeiten<br />

stürze.<br />

Mein erstes Gefühl hier war eine totale Euphorie: Ich bin jetzt auf der Stelle,<br />

die <strong>ich</strong> mir in meinen Träumen immer vorgestellt hatte. Und zu den unheiml<strong>ich</strong><br />

netten Leuten fand man auch schnell Anschluss sie akzeptierten einen, mit<br />

denen kann man diskutieren und auch zusammenarbeiten. Gle<strong>ich</strong>zeitig brachte<br />

das aber auch eine Veruns<strong>ich</strong>erung mit s<strong>ich</strong>, weil die Muster, die <strong>ich</strong> in meinem<br />

bisherigen Leben erworben hatte, jetzt alle n<strong>ich</strong>t mehr so r<strong>ich</strong>tig passen. Plötzl<strong>ich</strong><br />

war es auch politisch schwierig. Hier waren viele unterschiedl<strong>ich</strong>e Gruppierungen<br />

vertreten, die auf eine für m<strong>ich</strong> schwer durchschaubare Weise konkurrierten.<br />

Das habe <strong>ich</strong> erst später so r<strong>ich</strong>tig mitgekriegt. Die Schüler waren teilweise<br />

ganz toll; auf der anderen Seite waren auch welche dabei, die die Situation<br />

hier gar n<strong>ich</strong>t nutzten, wie <strong>ich</strong> mir das vorgestellt hatte.<br />

Ich dachte, wenn man hier Schüler wär', dann müsst' man sofort ganz intensiv<br />

einsteigen. Ich gestand denen gar n<strong>ich</strong>t zu, dass die auch ihre eigenen Probleme<br />

haben. Daran musste <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auch erst gewöhnen. Dann war <strong>ich</strong> an meiner<br />

alten Schule immer der einzig Aufgeschlossene aus einem Fünfzig-Mann-<br />

Kollegium, zu dem immer alle Schüler gerannt kamen, weil sie wussten, mit mir<br />

kann man was zusammen machen. Hier war <strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> irgendeiner unter ferner<br />

liefen von Neunzig, die alle so waren, wie <strong>ich</strong> bisher kaum einen Lehrer<br />

kennen gelernt hatte. Da gab es schon Umorientierungsprozesse.

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