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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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Wenn <strong>ich</strong> damals mehr über Gesch<strong>ich</strong>te, Philosophie und Erkenntnistheorie<br />

gewusst hätte, vermutl<strong>ich</strong> hätte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> anders entschieden. Aber die Mögl<strong>ich</strong>keiten,<br />

über diese Bere<strong>ich</strong>e überhaupt etwas zu erfahren, waren dünn: Ich komme<br />

aus einer Kleinstadt. Da gab's als Akademiker den Lehrer, den Pastor und<br />

den Apotheker. Einen Apotheker kannte <strong>ich</strong> gut, den fand <strong>ich</strong> saublöde und die<br />

Tätigkeit noch viel blöder. Das konnte m<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t reizen. Medizin ... ist<br />

mir zutiefst zuwider ... mit kranken Leuten umzugehen. Die Juristen? Was soll<br />

das, diese Spitzfindigkeiten. Ich bin auch n<strong>ich</strong>t der Typ dazu. Ich bin eher ein<br />

bisschen konfliktscheu und hab keinen Spaß am Streiten. Okay, dann blieb praktisch<br />

nur der naturwissenschaftl<strong>ich</strong>-technische Bere<strong>ich</strong> oder eben diese Studienratsgesch<strong>ich</strong>te.<br />

Geisteswissenschaftl<strong>ich</strong>e Berufe habe <strong>ich</strong> damals wohl nur im<br />

Zusammenhang mit dem Lehrerberuf gesehen. Aber Lehrer wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

werden.<br />

Ich kann nur spekulieren, was das mit meinem Elternhaus zu tun hatte.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t war es etwas wie ein Absetzen von einem dominanten Vater, indem<br />

<strong>ich</strong> mir einen Bere<strong>ich</strong> auswählte, wo er keine Ahnung hatte - wobei mir das s<strong>ich</strong>er<br />

n<strong>ich</strong>t bewusst gewesen war. Ich suchte auch die räuml<strong>ich</strong>e Distanz, <strong>ich</strong><br />

wollte weg. Denn mir war vollkommen klar, wenn <strong>ich</strong> so etwas wie Lehrer werden<br />

würde, dann wäre <strong>ich</strong> in irgendeiner Form wieder in den Fängen meines Vaters,<br />

und sei es nur wegen seiner dreißig oder vierzig Jahre Schulerfahrung.<br />

In den letzten Jahren, mein Vater ist vor kurzem gestorben, hatte <strong>ich</strong> dann<br />

ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Ich hatte jemand in ihm, mit dem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

immer toll unterhalten konnte, auch, weil er ein immenses Hintergrundwissen<br />

hatte. Er hatte eben Kant gelesen, bevor <strong>ich</strong> überhaupt wusste, wer Kant ist. Er<br />

hat mir auch Tipps gegeben: Sieh Dir doch dieses mal an oder lies mal jenes! Es<br />

ist schon so etwas wie Partnerschaft gewesen, wenigstens in den späteren Jahren.<br />

Da war das ein bisschen ausgegl<strong>ich</strong>en ... Aber das war mögl<strong>ich</strong>, weil <strong>ich</strong><br />

eigene Kompetenzbere<strong>ich</strong>e hatte. Und er war dann wirkl<strong>ich</strong> stolz darauf, dass<br />

<strong>ich</strong> promoviert hatte.<br />

Es gab auch eine Absetzbewegung von der Schule bei mir. Schule ist für<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t positiv besetzt, auf keinen Fall. Meinem Bruder ging das genauso;<br />

mit Schule wollten wir beide n<strong>ich</strong>ts zu tun haben.

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