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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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Das galt, wie <strong>ich</strong> heute weiß, n<strong>ich</strong>t für einige andere Arbeitsgebiete, die zu<br />

kriegsw<strong>ich</strong>tiger Forschung erklärt worden waren und daher weitergeführt werden<br />

konnten, z.B. Untersuchungen der Pterine wegen des medizinisch interessanten<br />

Antiperniciosa-Faktors; oder die Curare-Forschung, weil Toxiferine und<br />

Curarine als starke Muskelrelaxantien w<strong>ich</strong>tig für die Kriegschirurgie werden<br />

konnten. Aber <strong>ich</strong> bin auch noch heute überzeugt, dass es s<strong>ich</strong> bei allen Arbeiten<br />

Wielands und seiner Mitarbeiter um Grundlagenforschung handelte, die militärisch<br />

n<strong>ich</strong>t unmittelbar verwendbar war, sondern dass deren Bedeutung vor allem<br />

für einige der w<strong>ich</strong>tigsten biochemischen Forschungs- und Anwendungsgebiete<br />

schon damals erkannt und anerkannt wurde, z.B. für die Hormon- und Enzymforschung,<br />

die Stoffwechsel- und Krebsforschung.<br />

Ganz entging uns das große Interesse der Machthaber an mancher Forschung<br />

allerdings n<strong>ich</strong>t. So wussten wir von befreundeten Physikstudenten, dass<br />

der Physiker Walter Gerlach im Re<strong>ich</strong>sforschungsrat eine hohe Position innehatte<br />

und irgendwie maßgebl<strong>ich</strong> mit der Uranforschung befasst war.<br />

Wirkl<strong>ich</strong> mit dem Krieg in Zusammenhang brachten wir nur unsere vagen<br />

Informationen über Raketenforschung und Raketenversuche, denn darüber wurde<br />

sogar in aller Öffentl<strong>ich</strong>keit wegen den damit verbundenen Hoffnungen auf<br />

eine demnächst einsatzfähige Wunderwaffe gesprochen, die in letzter Minute<br />

den Krieg zugunsten der Nazis entscheiden sollte.<br />

Die Bedeutung und die Funktion der Physik bzw. der Naturwissenschaften<br />

für militärische Zwecke erkannten wir erst sehr viel später, etwa Ende 1949, als<br />

wir authentische und ausführl<strong>ich</strong>e Publikationen über die Entwicklung, Erprobung<br />

und Anwendung der Atombomben erhielten und die Diskussion darüber<br />

öffentl<strong>ich</strong> und kontrovers geführt wurde.<br />

Schon sehr bald nach Kriegsende erfuhren wir dann Genaues über den Anteil,<br />

den Mediziner und andere Wissenschaftler an den Menschenversuchen in<br />

den Konzentrationslagern, d.h. an der dort betriebenen Forschung hatten. Die<br />

Tötung von behinderten Menschen durch Giftgas und Medikamente jedoch war<br />

uns seit Anfang der 40er Jahre bekannt.<br />

Aber niemand von uns brachte all dies in Verbindung mit unseren eigenen<br />

wissenschaftl<strong>ich</strong>en Arbeiten, oder mit dem Unterr<strong>ich</strong>t, den wir in der Schule ge-

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