Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis
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wurden zwar runtergebügelt, aber später hatten sie keinen Vorwand mehr dazu.<br />
Eine Stütze war auch der Studienseminarsleiter. Das war so ein Liberaler, der<br />
Spaß hatte an meinen gelegentl<strong>ich</strong>en kritischen Provokationen. Als er zum Beispiel<br />
die Humorlosigkeit besessen hatte, am Rosenmontag 'ne Seminarsitzung<br />
einzuberufen, setzte <strong>ich</strong> als Protest als einziger einen Faschingshut auf, während<br />
die anderen alle in Anzug und Schlips dasaßen. An seinem Zuruf, Ah, Helau!<br />
merkte <strong>ich</strong>, dass er an meinem Einfall Spaß hatte. Das tat mir gut, dass einer<br />
meine Art so goutiert hat.<br />
In der Schule war es am Anfang n<strong>ich</strong>t immer so doll. Es gab Klassen, in<br />
denen <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t klarkam, besonders in der Mittelstufe. Ich wusste weder,<br />
wie man mit diesen Schülern umgeht, noch was man macht, wenn's n<strong>ich</strong>t<br />
klappt. Manchmal ging's da auch drunter und drüber. In der Oberstufe ging es<br />
allmähl<strong>ich</strong> besser, am schnellsten ging es in der Unterstufe gut. Auf die Mentalität<br />
dieser Zehn-, Elf-, Zwölfjährigen, was die lernen können und wollen, wie<br />
man die zu nehmen hat und wie man auf sie eingeht, darauf konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> am<br />
besten einstellen. Die Mittelstufe hab <strong>ich</strong> mehr oder weniger aufgegeben. Ich<br />
hab das n<strong>ich</strong>t als Berufshindernis gesehen, aber von der Schulleitung wurden<br />
mir diese Disziplinschwierigkeiten bös hingerieben.<br />
Nach dem Referendarexamen ging <strong>ich</strong> an eine andere Schule. Das Problem<br />
war nur, dass es auch dort n<strong>ich</strong>t allzu viele von meiner Sorte gab. Es gab zwar<br />
'ne kleine linke Gruppierung, unter anderem ein promovierter Religionslehrer<br />
und ein ganz toller Kollege in Kunst. Wir hatten auch eine gewisse Position, nur<br />
in meinem Fach bekam <strong>ich</strong> kein Bein auf den Boden, da konnte <strong>ich</strong> machen was<br />
<strong>ich</strong> wollte. Die Abstimmungen in der Fachkonferenz zum Beispiel liefen immer<br />
sechs zu eins oder fünf zu zwei gegen m<strong>ich</strong>, wenn <strong>ich</strong> was wollte. Dafür rieb <strong>ich</strong><br />
diesen Kollegen ihre Fünfer Genehmigungen hin, wenn wieder mal zu viele unterm<br />
Str<strong>ich</strong> waren, und erledigte das n<strong>ich</strong>t einfach mit Handhochheben, wie<br />
sonst übl<strong>ich</strong>. Allerdings hatte <strong>ich</strong> bei den Schülern zusehends einen besseren<br />
Stand und wurde sogar zum Vertrauenslehrer gewählt. Das hatte <strong>ich</strong> als größere<br />
Ehrung empfunden als so manches andere.<br />
Nach sechs, sieben Jahren war <strong>ich</strong> der Meinung, dass <strong>ich</strong> eigentl<strong>ich</strong> genug<br />
widerstanden und m<strong>ich</strong> genug aufgerieben hätte. Ich wollte endl<strong>ich</strong> aus dieser<br />
Abblocksituation heraus und meldete m<strong>ich</strong> für eine andere Schule, ein Oberstu-