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Gerda Freise Warum studierte ich Chemie? - Gute UnterrichtsPraxis

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<strong>Gerda</strong> <strong>Freise</strong><br />

<strong>Warum</strong> <strong>studierte</strong> <strong>ich</strong> <strong>Chemie</strong>?<br />

Im Frühjahr 1938 bestand <strong>ich</strong> das Abitur an einer städtischen Oberschule<br />

für Mädchen. Auf dem Zeugnis stand vermerkt, dass <strong>ich</strong> Fremdsprachen studieren<br />

und Dolmetscherin werden wolle. Dieser Vermerk war ein Ausdruck meiner<br />

Verlegenheit, denn diesen Beruf hatte <strong>ich</strong> nie ernsthaft angestrebt, wenngle<strong>ich</strong><br />

die fremdsprachl<strong>ich</strong>en Unterr<strong>ich</strong>tsfächer mir Spaß gemacht hatten, nachdem <strong>ich</strong><br />

im Schüleraustausch in England und Belgien gewesen war. Aber auch andere<br />

Fächer mochte <strong>ich</strong>, z.B. Musik und Deutsch. Und Physik und <strong>Chemie</strong> interessierten<br />

m<strong>ich</strong> ebenfalls ein wenig, weil einige Lehrer den Unterr<strong>ich</strong>t anregend<br />

gestaltet hatten. Sie übertrugen ihre eigene Freude an den Naturgesetzen, an<br />

Farbreaktionen und Kristallformen auf uns und ließen uns auch kleine Schülerversuche<br />

selbst ausführen.<br />

Einen Interessenschwerpunkt jedoch, von dem aus <strong>ich</strong> mir eine berufl<strong>ich</strong>e<br />

Zukunft vorstellen konnte, hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gefunden. Der Beruf des Volksschullehrers<br />

war der einzige, von dem <strong>ich</strong> eine konkrete Vorstellung hatte. Das lag<br />

wohl daran, dass beide Eltern und zwei meiner Onkel Volksschullehrer waren.<br />

Ich w<strong>ich</strong> einer Entscheidung zunächst aus, ging nach dem Abitur nochmals für<br />

ein halbes Jahr nach England und Belgien und leistete danach einen sogenannten<br />

Ausgle<strong>ich</strong>sdienst in der NS-Fürsorge ab, nachdem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> erfolgre<strong>ich</strong> vor dem<br />

regulären Arbeitsdienst gedrückt hatte. Die Fürsorgetätigkeit in einem traditionell<br />

kommunistischen Industrie- und Arbeiterviertel vermittelte mir völlig neue<br />

Erfahrungen, so dass <strong>ich</strong> mir danach sogar eine derartige Tätigkeit als Beruf<br />

vorstellen konnte. Aber Gespräche mit der Familie, inbesonders mit meinem<br />

Vater, führten zu der Überzeugung, dass man s<strong>ich</strong> in einem Sozialberuf oder<br />

auch als Lehrerin den Zumutungen der Nazis n<strong>ich</strong>t würde entziehen können.

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