Humor - Prof. Dr. Horst Völz
Humor - Prof. Dr. Horst Völz
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Und auch körperliche Leiden können offenbar vom Lachen beeinflusst werden. Schon vor dreißig Jahren wurde ein<br />
Journalist, der an einer chronischen Gelenkerkrankung litt, mit seinem Bericht über die Selbstheilung in den USA und<br />
anderswo bekannt. Als die Ärzte ihn aufgegeben hatten, beschloss Norman Cousins, sich erheitern zu lassen. Er tat alles, um<br />
lachen zu können, und seine Symptome besserten sich.<br />
293: Lachen vertreibt das Lächeln: Das grund- und anlasslose Lachen breitet sich auch in anderer Hinsicht aus. Es könnte<br />
sein, dass nicht nur im Osten, sondern auch in der westlichen Welt heutzutage viel gelacht wird, nur um andere Menschen<br />
freundlich zu stimmen. Das jedenfalls ist die These des amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Robert Provine, der jetzt<br />
ein Buch über das Lachen veröffentlicht hat. Nach seinen Beobachtungen im Alltag lachen sich in den USA viele Menschen<br />
an, bloß um zu zeigen, dass sie gut gelaunt sind und das Gegenüber, mit dem sie im Gespräch sind, überaus mögen. Das<br />
würde bedeuten, dass heute ein Lachen - nämlich dieses nur scheinbare und ein wenig aufgesetzte Lachen - das alte Lächeln<br />
verdrängt, weil das offenbar nicht mehr als ausreichend gilt. Lächeln ist zu scheu, zu leise. Man muss schon zu hören sein mit<br />
seinen Gefühlen in unserer lauter gewordenen Gesellschaft. Lachen, anlassloses Lachen besagt dann: «Ich fühle mich hier<br />
und jetzt verdammt gut.» Diese amerikanische Mode könnte sich bald auch in Europa verbreiten und dann - man sieht es<br />
kommen - geradezu Pflicht werden.<br />
Die These des Autors Robert Provine ist, Lachen werde bewusst eingesetzt zur Stärkung der Sozialbeziehungen. In Indien<br />
lachen Menschen, wenn sie sich an Mitglieder höherer Kasten wenden. In China kichert man sowieso, um die eigene<br />
Devotion und Höflichkeit zu zeigen; auch zur Abwehr eines schrecklichen Anblicks, wovon Reisende berichten, die in<br />
entlegenen Provinzen erlebt haben, wie Chinesen einen Verunglückten umstanden.<br />
Etwas von Triumph bleibt dem Lachen erhalten: Lachen zur sozialen Verständigung, das ist ein neues, weites Thema. Sehen<br />
wir deshalb noch einmal auf uns selbst. Jede Komik, die uns erschreckt und danach erleichtert atmen lässt, befreit uns auch.<br />
Ein kleiner therapeutischer Erfolg ist das allemal. Vielleicht sogar ein Sieg. Heißt das, Lachen sei immer noch ein<br />
Siegesgeheul?<br />
294: Es gibt nur zwei Arten, Lust- und Angstwitze. Daraus folgt die Einsicht: Der Witz macht für einen Augenblick das<br />
Verbotene erlaubt und das Gefürchtete erfreulich. Mit anderen Worten, Strafangst und existentielle Angst lassen für den<br />
Moment nach.<br />
Encarta<br />
<strong>Humor</strong><br />
Andreas Vierecke (lateinisch humor: Feuchtigkeit), im engeren Sinn die Fähigkeit, Lebenswidrigkeiten gelassen<br />
hinzunehmen und ihnen sogar eine heitere Komponente abzugewinnen. Darüber hinaus ist <strong>Humor</strong> seit jeher ein verbreitetes<br />
Element sämtlicher Künste, insbesondere der Literatur. Das Bedürfnis, auf humorvolle Weise unterhalten zu werden, zieht<br />
sich durch wahrscheinlich alle Epochen der Menschheit. Dabei wird meist zwischen dem so genannten reinen (oder<br />
„unschuldigen”) <strong>Humor</strong> und seinen „boshaften Verwandten”, wie Satire, Parodie, Ironie oder gar Sarkasmus unterschieden<br />
(siehe auch absurdes Theater). Besonders geschätzte Formen sind dessen ungeachtet der schwarze <strong>Humor</strong> und die eher<br />
abgründigen Gedankengänge des „Linksdenkers” Karl Valentin.<br />
Schadenfreude und Vorurteilsbeladenheit sind weniger erfreuliche und dennoch wichtige Aspekte (siehe auch Witz), da<br />
<strong>Humor</strong> entgegen landläufigen Vorstellungen durchaus nicht immer harmlos sein muss. Variationen des <strong>Humor</strong>empfindens<br />
und -vermögens werden oft mit Nationalcharakteren (z. B. als „englischer <strong>Humor</strong>”) und verschiedenen sozialen Schichten in<br />
Verbindung gebracht.<br />
Nach der antiken Säftelehre verstand man unter <strong>Humor</strong> die richtige und deshalb Gesundheit verbürgende Mischung der<br />
Körpersäfte. Aus der antiken Säftelehre entwickelte sich später die so genannte <strong>Humor</strong>al-Psychologie. Deren Gegenstand war<br />
die Bestimmung von Korrelationen zwischen den Eigenschaften und Mischungsverhältnissen der Körpersäfte und<br />
bestimmten Charaktereigenschaften oder Krankheiten.<br />
Eine Bedeutung, in der sich das heutige Verständnis des Begriffs ankündigt, kommt dem <strong>Humor</strong> in der philosophischen<br />
Ästhetik um die Wende zum 19. Jahrhundert zu. Dort (etwa bei Schelling) steht <strong>Humor</strong> für die von dem Bewusstsein<br />
geprägte romantische Wahrnehmung, dass die wirkliche Welt dem Ideal der guten Welt weder in der Gegenwart entspricht<br />
noch jemals in der Zukunft wird entsprechen können.<br />
Die heute vorherrschende Bedeutung des Begriffs steht für die mit einer entsprechenden Grundgestimmtheit<br />
einhergehende Begabung zur Wahrnehmung und Darstellung der komischen Aspekte des Daseins. Aus der Perspektive der<br />
Persönlichkeitsforschung gilt <strong>Humor</strong> als eine (Grund-)Haltung der Reife, die es dem Individuum ermöglicht, die allenthalben<br />
zu gewärtigende Diskrepanz zwischen dem Ideal und der Wirklichkeit des Lebensvollzuges gelassen zu ertragen, das Leben<br />
und die Menschen zu bejahen und ihnen wie sich selbst die alltäglichen Unzulänglichkeiten zu verzeihen („<strong>Humor</strong> ist, wenn<br />
man trotzdem lacht”). Andererseits birgt <strong>Humor</strong> als Lebenshaltung die Gefahr des Verlustes kritischer Distanz zur Welt.<br />
<strong>Humor</strong> kann auch eine Form des Einverständnisses mit inakzeptablen Verhältnissen sein.<br />
Für das jeweilige persönliche Vermögen, einen über das <strong>Prof</strong>ane hinausgehenden <strong>Humor</strong> zu empfinden und zu verstehen,<br />
bzw. sich über Komisches mit anderen humorvoll zu verständigen, sind mehrere Aspekte der Persönlichkeit, der Begabung<br />
und auch der Intelligenz verantwortlich. Die befreiende Komponente eines humorvollen Herangehens auch an Krisen- und<br />
Konfliktsituationen wird selbst von seriösen Wissenschaftlern mittlerweile für eindeutig lebensverlängernd gehalten.<br />
<strong>Humor</strong>eske<br />
kurze humoristische Erzählung, die oft in etablierten bürgerlichen Verhältnissen spielt. Die Bezeichnung entstand im<br />
frühen 19. Jahrhundert. Der Ton der <strong>Humor</strong>eske bleibt liebenswürdig und steht damit der Derbheit des Schwankes, der<br />
Ausgelassenheit der Burleske, der Bissigkeit der Satire oder dem Monströs-Komischen der Groteske entgegen.<br />
Gesellschaftskritik wird lediglich am Rand geübt. Frühe <strong>Humor</strong>esken schrieben etwa Jean Paul, Wieland und Lessing.<br />
Innerhalb des Genres unterscheidet man spezielle Typen, die durch ihren Schauplatz definiert werden, darunter die<br />
Schulhumoreske (Spoerl), die Militärhumoreske (Lenz, Schlicht) und die Reise- bzw. Bauernhumoreske (Thoma, Rosegger).<br />
Bedeutende Autoren von <strong>Humor</strong>esken waren Wilhelm Raabe, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Ludwig<br />
Anzengruber, Arthur Schnitzler, Klabund und Carl Sternheim.<br />
<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 12/68