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Humor - Prof. Dr. Horst Völz

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Wenn diese Bedeutungen aus dem logischen Kausalzusammenhang herausgelöst werden, können sich folgende Aussagen<br />

ergeben:<br />

1) Paradoxe Logik: «Ich bin eifersüchtig, damit ich mehr leiden kann.»<br />

2) Paradoxe Analogie: Ich bin eifersüchtig, weil Fußball spielen kein Auto ist.»<br />

3) Doppelte Paradoxie: «Ein eifersüchtiger Fußball hat Ostern kein Fieber.»<br />

4) Nonsens Paradoxien: «Wenn Fußball spielen Eifersucht ist, dann ist Liebe der Elfmeter.»<br />

5) Double-bind Paradoxien jenseits der Dualität: (Die Antwort muss aus dem Hier und Jetzt spontan kommen, ohne<br />

nachzudenken): «Ich bin eifersüchtig, weil ich mir dieses blaue Kleid gekauft habe, und das wiegt 12 Erbsen.»<br />

Double Bind und pragmatische Paradoxien<br />

Kommunikation findet nach Fry auf vier Ebenen statt:<br />

1) Die intrapsychische Ebene: Gefühle, («stimmige») Stimmungen, Gedanken, Selbstbeurteilungen, «doppeltes Denken» (Ich<br />

denke über das nach, was andere über mich denken könnten ...);<br />

2) Die dyadische interpersonale Ebene: starker Einbezug von 1);<br />

3) Die interpersonale Ebene im Rahmen einer umschriebenen Gruppe: Berücksichtigung von «in group»-Regeln, moderater<br />

Einbezug von 1);<br />

4) Die interpersonale Kommunikation im Sinne von Massenkommunikation unter anonymen Individuen: Berücksichtigung<br />

formaler «Man muss»-Regeln und Kommunikationsstile, Ausschluss von 1).<br />

Der Austausch von Botschaften setzt voraus, dass die Kommunikationspartner über einen gemeinsamen Symbolvorrat<br />

verfügen, der regelhaft (semantisch, syntaktisch) strukturiert ist und festgelegten Relevanzkriterien folgt.<br />

Auf allen Ebenen der Kommunikation vermischt sich interne mit externaler Kommunikation, nonverbale (implizite) mit<br />

verbaler (explizite). Gleichzeitig gibt es einen Inhaltsaspekt (Was wird kommuniziert?) und einen Beziehungsaspekt (Wie<br />

wird es kommuniziert?) Letztere bestimmt den ersteren und ist daher Metakommunikation: Kommunikation über<br />

Kommunikation (Watzalwick et al.).<br />

Der Inhaltsaspekt vermittelt die «Daten«, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind. Der Inhaltsaspekt<br />

wird digital übermittelt, der Beziehungsaspekt ist dagegen vorwiegend analoger Natur.<br />

Jedes Verhalten hat Mitteilungscharakter. Schon Schweigen drückt etwas aus. Man kann also nicht nicht kommunizieren.<br />

Eine Double-bind Situation liegt vor, wenn eine Handlungsaufforderung gegeben wird, die befolgt werden muss, aber nicht<br />

befolgt werden darf, um befolgt zu werden: die Aussage des Inhalts- und des Beziehungsaspektes negieren einander. Die<br />

Bedeutung der Mitteilung ist somit unentscheidbar (Dilemma, Konflikt).<br />

Beispiel: Eine Mutter fordert ihr Kind auf, sich liebkosen zu lassen, kündigt dem Kind mit ihrer Mimik jedoch an, dass sie<br />

Abscheu vor Liebkosungen empfindet. Grund sind rollenspezifische Man muss-ideale: Eine Mutter ist nur dann eine gute<br />

Mutter, wenn sie Spaß daran hat, ihr Kind zu liebkosen. Dies ist eine Sei spontan! - Paradoxie, die zu einem Zwang auf der<br />

Beziehungsebene führt, das zu negieren, was intrapsychisch authentisch ist und entsprechend auf der Inhaltsebene<br />

kommuniziert wird.<br />

Ein weiteres Beispiel wäre die Furcht vor sozialer Exposition (Logophobie) bei gleichzeitigem Bemühen, sich locker und<br />

motiviert in eine entsprechende Situation einzubringen.<br />

Ronald Laing hat in seinem Buch «Knoten» eine Fülle von paradoxen Double-bind-Aussagen beschrieben. Hier ein Beispiel:<br />

Sie liebt mich nicht.<br />

Ich fühle mich schlecht.<br />

Ich fühle mich schlecht, weil sie mich nicht liebt.<br />

Ich bin schlecht, weil ich mich schlecht fühle.<br />

Ich fühle mich schlecht, weil ich schlecht bin.<br />

Ich bin schlecht, weil sie mich nicht liebt.<br />

Sie liebt mich nicht, weil ich schlecht bin.<br />

Die Auflösung solcher Paradoxien ist dann unmöglich, wenn a) die Ablehnung des rollenspezifischen Man muss-Zwanges als<br />

Bosheit ausgelegt wird, b) Metakommunikation über den entdeckten Widerspruch als Unverschämtheit angesehen wird, c)<br />

«zwanglose» Verhaltensalternativen bestraft werden (Beziehungsfalle).<br />

Paradoxe Interventionen in der Psychotherapie<br />

«Tue genau das Gegenteil von dem, was ein (normaler) Therapeut tun würde» (Weeks & L'Abate). Der paradoxen Therapie<br />

liegt das Prinzip zugrunde, dass ein Mensch sich dadurch ändern solle, dass er unverändert bleibt. Dies wird als<br />

«Symptomverschreibung» bezeichnet: Der Klient wird ermutigt, sein Verhalten, das im Bezugsrahmen des<br />

Normalitätsprinzips als falsch, unangemessen oder krankhaft beurteilt wird, nicht nur zu akzeptieren, sondern nach<br />

Möglichkeit zu verstärken.<br />

Dadurch entsteht eine neue Art von Doppelbindung. Während eine pathogene Doppelbindung einen Menschen in eine<br />

aussichtslose Lage manövriert, zwingt eine therapeutische Doppelbindung einen Klienten in eine verlustlose Situation, die<br />

nicht von Schamangst geprägt ist, sondern im Gegenteil von jenen Gefühlsqualitäten, die für die <strong>Humor</strong>reaktion typisch sind.<br />

In einer therapeutischen Doppelbindung gewinnt ein Klient die Kontrolle über sein Symptom entweder durch Aufgabe des<br />

Symptoms (Nichtbeachtung der Anweisung) oder durch absichtliche oder willentliche Produktion des Verhaltens. Im<br />

letzteren Fall lässt sich der Klient nicht mehr vom Symptom unter Kontrolle halten, sondern kontrolliert jetzt seinerseits das<br />

Symptomverhalten. Diese Art der Bindung oder paradoxen Situation manövriert den Klienten aus seinem pathologischen<br />

Bezugsrahmen hinaus.<br />

Die clowneske Reduktion<br />

Die Grundidee therapeutischen <strong>Humor</strong>s lässt sich so formulieren: Wenn sich ein Mensch allzu forciert bemüht, sich an die<br />

«Man muss»- Ideale des Normalitätsprinzips anzupassen, folgt er dem «Mehr desselben» - Prinzip. Er will damit<br />

vernünftiger, eloquenter, erfolgreicher, schlagfertiger, lockerer usw. sein, als es ihm aufgrund seiner natürlichen<br />

Voraussetzungen, seiner «Tagesform» usw. möglich ist. Er setzt sich damit die Messlatte beim Hochsprung (um diese<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 25/68

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