Humor - Prof. Dr. Horst Völz
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(Nr. 3). Oder: "Als sein Patient litt und laut schrie, tauschte ein Doktor aus Kyme (s.o.) sein Messer gegen ein stumpferes<br />
ein" (Nr. 177). Es überrascht kaum, dass in einer Zeit, in der die medizinische Versorgung noch kaum entwickelt war,<br />
einzelne Ärzte oder ihr ganzer Stand zum Ziel der Verhöhnung durch Laien wurden. Zu der Tatsache, dass Ärzte<br />
Intellektuelle waren, kam wohl hinzu, dass sie oft für ihre Fähigkeiten warben und an Straßenecken oder im Theater<br />
praktizierten.<br />
Es gibt ungefähr sieben Witze über Seher und Astrologen. Seher waren.....<br />
S. 27: negative kraft von Witzen kann wehtun. Sie können daher in „Schamkulturen“ leicht Schaden anrichten. Solche<br />
verletzenden Wirkungen scheinen im Laufe der 4.JH. deutlich geworden zu sein.<br />
Es passt zu Platons Opposition gegen das Lachen, dass in seiner Schule , der Akademie, das Lachen verboten war und er<br />
selbst in der athenischen Komödie als Miesepeter dargestellt wurde.<br />
S. 29: Die erste Gruppe, von der wir wissen, dass sie Widerstand gegen das lachen geleistet hat, waren die Pythagoräer.<br />
Fritz Graf: Cieero, Plautus und das römische Lachen<br />
S. Die Römer waren stolz auf ihren <strong>Humor</strong>.<br />
In seiner späten Abhandlung De officiis geht Cieero auf das Problem des Witzes und seiner Beschränkungen ein: Die Grenze<br />
wird durch das markiert, was „passend“ ist (to prepon) - eine Kategorie, die dem Panaitios von Rhodos gefiel (auf dessen<br />
Denken sich die ganze Abhandlung weitgehend stützt) und die letztlich auch dem Aristoteles lieb war. Der Witz muss sich<br />
innerhalb vorgegebener Grenzen der Ehrbarkeit bewegen, um gesellschaftsfähig zu sein. Cieero beschreibt - oder besser<br />
exploriert, welche Witze angemessen und welche inakzeptabel sein konnten, mit Hilfe mehrerer eng verwandter Begriffe:<br />
Angemessener <strong>Humor</strong> ist „elegant“ (elegans)", „geistreich“ (urbanum, wie nur ein Stadtbewohner sein kann), „erfinderisch“<br />
(ingeniosum) und „komisch“ (facelum), der inakzeptable Witz hingegen „für einen Freigeborenen unschicklich“ (inliberale),<br />
„unverschämt“ (petulans), „schändlich“ (flagitiosum) und „schmutzig“ (obseenum). Gesellschaftliche Kategorien spielen<br />
dabei eine Rolle: Stadtbewohner gegen Landleute; Freigeborene gegen Sklaven und übel beleumundete Freigelassene;<br />
schlechter <strong>Humor</strong> verursacht seinem Inhaber schweren Tadel (flagitium); auch Eleganz und angeborene Erfindungsgabe<br />
(ingenium) sind Merkmale der Oberschicht.<br />
Mehr hören wir in dem Kapitel über die Grenzen des Witzes in der früheren rhetorischen Abhandlung De oratore. Zum<br />
späteren ethischen Traktat gibt es deutliche Unterschiede; die Kategorisierung folgt eher römischer Praktikabilität als<br />
griechischer ethischer Theorie. Der Redner benutzt <strong>Humor</strong> ja als eines seiner Instrumente der Überredung, um sein Publikum<br />
für sich zu gewinnen, nicht, und nicht um es sich zum Feind zu machen. Cicero geht in zwei Schritten weiter, vom<br />
Allgemeinen zum Einzelnen: Im ersten Schritt „umreißt er die allgemeinen Grenzen des <strong>Humor</strong>s: Der Witz muss sich von<br />
großen Verbrechen und großem Elend fernhalten - beides sind offensichtlich ernste Angelegenheiten, und der Redner muss<br />
sie ernst behandeln, um glaubwürdig zu wirken. Witze über bekannte Verbrecher und über großes Unglück werden den<br />
diskreditieren, der sie macht. Der zweite Schritt konzentriert sich auf eine bestimmte Thematik, nämlich die körperliche<br />
Erscheinung (2, 237-239): Er sagt, dass „die Missgestalt und Ungewöhnlichkeit von Körpern ein weites Feld für Witze sind“,<br />
aber wieder sollte man sich davor hüten, zu weit zu gehen, sonst erscheine man als "Clown und Mimus-Schauspieler", scurra<br />
aut mimus. Später wird als scurra ein Mensch definiert, der jene Grenzen des <strong>Humor</strong>s nicht kennt, die von Ernst (gravitas)<br />
und von Intelligenz (prudentia) auferlegt werden (2, 247). Ebenso wird dem Redner geraten, sieh davor zu hüten, die<br />
Karikatur zu übertreiben (imitatio depravata), damit er nicht als mimus und ethopoios (als ein Parodist voll Charakteren)<br />
erscheine, der allgemein schlecht beleumdet war. Kurz: Nicht alles, was lächerlich ist, ist auch witzig: Der sannio, der<br />
bäuerliche Spaßmacher, ist es nicht, obwohl er die Leute zum Lachen bringt.<br />
Die Grenzen des <strong>Humor</strong>s werden damit anhand der Funktion definiert, die er in der Rhetorik hat: Der Witz dient dazu, zu<br />
überreden, und zwar - wie Quintilian unterstreicht, besonders den Richter, der von <strong>Humor</strong> entweder entspannt, geweckt oder<br />
abgelenkt wird.1,3 Ein römischer Redner ist die Verkörperung des perfekten Mitglieds der Senatorenschicht Roms; um sein<br />
Publikum zu überreden, muss er sich als so nahe bei diesem Ideal halten wie möglich - daher die Bedeutung von gravitas und<br />
prudentia, die hauptsächlichen Tugenden dieser Schicht. Die professionellen Unterhaltungskünstler - der Clown, der mimus,<br />
der ethopoios, der sannio - gehören zu einer ganz anderen Schicht: Sie sind entweder griechische Ausländer oder Sklaven<br />
oder Freigelassene. Sowohl Cicero als auch Quintilian sehen die größte Gefahr für den Redner darin, als ein derartiger<br />
Unterhaltungskünstler zu erscheinen: Da die Techniken ähnlich sind (und Schauspieler oft auch als Lehrer junger Redner<br />
wirken), ist die Trennung um so wichtiger - und um so schwieriger. Wiederum ist der Unterschied besonders einer im<br />
gesellschaftlichen Status. Vielleicht ist jetzt deutlicher, warum es seine Feinde waren, die Cicero einen Clown nannten: Er<br />
war ja ein homo novus aus der Provinz ohne all die eingefleischte Verfeinerung der Oberschicht Roms. Wenn man ihn also<br />
des Überschreitens der Grenzen des <strong>Humor</strong>s bezichtigte, hatte dies einen gewissen schichtbewussten Beigeschmack - und<br />
war daher bestens geeignet, Cicero sehr wirksam zu verletzen.<br />
Zu den gleichen Ergebnissen führt Ciceros funktionelle Definition von <strong>Humor</strong>: „Man lacht über das, was Anstößigkeiten auf<br />
nicht anstößige Weise notiert und aufzeigt.“ Anstößigkeit entsteht aus gesellschaftlicher Abweichung: Die Funktion des<br />
Witzes besteht darin, diese Abweichung aufzuzeigen und zu korrigieren, und zwar in einer gesellschaftlich akzeptablen<br />
Weise.<br />
Wenn wir die Beispiele ansehen, die Cicero aufführt, wird ein weiterer Punkt klar: Es ist die Devianz innerhalb eben dieser<br />
Oberschicht, die vom <strong>Humor</strong> gerügt wird. Dies erklärt die Rolle von <strong>Humor</strong> sogar besser: Ein direkter, ungemilderter Tadel<br />
zwischen Angehörigen der gleichen Schicht, so hochgemut und schichtbewusst diese waren, wäre nicht nur für einen homo<br />
novus undenkbar gewesen; eine witzige Bemerkung nimmt dem den Stachel. Zugleich erklärt sie die Grenzen, die auferlegt<br />
waren: Es gibt eine gesellschaftliche Devianz , die so ernsthaft ist (und Schichtengrenzen überschreitet), dass Witz kein<br />
hinreichendes Korrektiv bietet, weshalb eine geistreiche Bemerkung sie zu leicht nehmen würde. Wiederum legt ein festes<br />
Wissen der gesellschaftlichen Normen dem Witz und <strong>Humor</strong> Grenzen auf<br />
Man muss sich jetzt vor einem Missverständnis hüten: Gravitas, Ernst und Ehrbarkeit, schließen <strong>Humor</strong> nicht aus; dem an<br />
sich ausschließlich ernsten Senator wird nicht der Rat gegeben, momentan humorvoll zu sein, um seinem Publikum zu<br />
gefallen: die Regeln der Schicht verlangen sowohl gravitas als auch urbanitas. In De oratore besteht Cicero darauf, dass alle<br />
Regeln und alle Klassifizierungen, die er für den rednerischen Witz aufstellt, auch für den Alltag außerhalb der rednerischen<br />
Praxis gelten müssen (2, 270): Verlangt wird auch hier urbanitas, die unmittelbare Geistesgegenwart, die in allen Situationen<br />
<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 48/68