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Humor - Prof. Dr. Horst Völz

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versuchte der Spaßmacher einen Witz, doch ohne Erfolg. Als auch ein zweiter Witz nicht gut ankam, hörte er mit dem Essen<br />

auf, wickelte sich in einen Mantel, legte sich auf eine Liege und fing an zu stöhnen. Ein Gast nach dem anderen versprach<br />

nun, das nächste Mal zu lachen, und tatsächlich brach einer von ihnen angesichts des „Elends“ des Spaßmachers in lautes<br />

Lachen ans, worauf Philippos sein Essen fortsetzte (1, 11-16).<br />

Als dann die Tische entfernt worden waren, betrat ein professioneller Unterhaltungskünstler aus Syrakus den Raum mit<br />

einem Flötenmädchen, einer Tänzerin und einem schönen Knaben, der sich darauf verstand, die Leier zu spielen und dazu zu<br />

tanzen. Die Tänzerin führte nun verschiedene akrobatische Tricks vor, jonglierte mit zwölf Ringen und schlug Räder in einen<br />

schwertbesetzten Ring; Philippos jedoch musste diese erfolgreiche Darbietung als Herausforderung für seinen eigenen Status<br />

als Unterhaltungskünstler angesehen haben. Er stand also auf und imitierte das Tanzen sowohl des Jungen als auch des<br />

Mädchens in aller Ausführlichkeit; dabei „brachte er es fertig, dass jeder Teil seines Körpers, den er bewegte, noch<br />

lächerlicher wirkte, als er ohnehin schon war“. Das schließlich rief das ersehnte Lachen hervor (2, 21-23). Nach diesen<br />

leichten Intermezzi entstand eine ernste Diskussion, in die Philippos ein paar Mal eingriff. Während einer Debatte über den<br />

wertvollsten Besitz eines jeden bestätigte er, dass sein Stolz das Spaßmachen sei (3, 11); später erklärte er den Grund für<br />

seinen Stolz: „Da die Leute wissen, dass ich ein Spaßmacher bin, laden sie mich gerne dazu ein, wenn sie etwas zu feiern<br />

haben, ergreifen jedoch, wenn ihnen etwas Schlimmes zugestoßen ist, die Flucht, ohne sich noch einmal umzudrehen, aus<br />

Furcht, wider Willen lachen zu müssen (4, 50).<br />

Schließlich, am Ende des Abends, priesen alle Gäste die Kunstfertigkeit des Philippos im „Vergleichen“ und Imitieren von<br />

Personen. Der Spaßmacher ergriff sogleich die Möglichkeit, seine Kunst zu beweisen, doch ermahnte ihn Sokrates, dass er<br />

nur dann ein wertvoller Gewinn für die Gelageteilnehmer sein könne, wenn er für sich behalte, „was man nicht sagen soll“;<br />

so also „wurde diese Pöbelei unterdrückt“ (6, 8-10).<br />

S. 21: So wurden Witze als Beitrag der Ungeladenen geradezu erwartet.<br />

Spaßmacher und ihre Bücher<br />

S. 24: Es ist klar, dass die Fähigkeiten des Philippos nur teilweise denen der modernen Unterhaltungskünstler gleichkamen.<br />

Witzereißen und Personen-Nachmachen sind das Markenzeichen manch eines modernen Komikers, aber Philippos bot auch<br />

Vergleiche - eine Kunst, die für die moderne Unterhaltung untypisch ist. Leider liefert Xenophon keine Beispiele für die<br />

Witze, ebenso wenig finden wir Witze bei anderen Autoren. Wir kennen daher weder die Natur dieser Witze noch ihren<br />

Ursprung. Benutzten Spaßmacher auch Witzbücher? Eine unserer Quellen für die „Sechzig“ sagt, Philippos habe darum<br />

gebeten, die Witze abzuschreiben, was die Existenz von einer Art Witzbuch nahe legt, doch eine andere Quelle erwähnt, dass<br />

er nur darum gebeten habe, die Witze aufzuschreiben. Wir können daher nicht völlig sicher sein, dass es bereits in der<br />

zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. Witzbücher gegeben habe; belegt sind sie erst bei dem römischen Komiker Platitus,<br />

der freilich die griechische Komödie als seine Quelle benutzte. In seinem Stichus, der 200 v. Chr. aufgeführt wurde, ist der<br />

Parasit Gelasimus (man beachte den griechischen Namen, der „Lachhafter“ bedeutet und an gelotopoios anklingt) so verarmt,<br />

dass er eine Auktion abhalten und seine Witzbücher verkaufen will, in denen Tricks, schmeichelhafte Bemerkungen und<br />

kleine Lügen stehen. Und in Plautus‘ Persa erwägt der Spaßmacher Satyrio, seine Witzbücher als Mitgift für seine Tochter zu<br />

vergeben (389 - 96). Es ist also klar, dass diese Spaßmacher Witzbücher besaßen, die ihnen dazu verhalfen, ihr Einkommen<br />

zu sichern -anders als in der frühen Neuzeit, wo etwa Aernout van Overbeke Witze in Heften sammelte, um einen<br />

gesellschaftlichen Erfolg bei seinesgleichen zu erlangen. Wie Xenophon führt Plautus kein Beispiel für diese Witze auf, aber<br />

wir haben das Glück, dass in der Spätantike ein anonymer Verfasser ein Witzbuch geschaffen hat, das erhalten geblieben ist.<br />

Eine Reihe von Handschriften, von denen keine älter als das 10. Jahrhundert n. Chr. ist, überliefert eine Sammlung von 265<br />

Witzen unter dem Titel Philogelos, „der Lachfreund“. Verfasser und Zweck sind unbekannt; nur ein Witz bezieht sich auf ein<br />

Ereignis, das datiert werden kann, nämlich auf die Spiele zur Tausendjahrfeier Roms am 21. April 248 n.Chr. Die Sammlung<br />

wurde wahrscheinlich im 3. Jahrhundert zusammengestellt, doch weist das spätgriechische Vokabular deutlich darauf hin,<br />

dass die letzte Ausgabe erst in frühbyzantinischer Zeit erstellt wurde, wahrscheinlich nicht später als im 6. Jahrhundert. Eine<br />

Quelle war zweifellos Plutarchs Sammlung von apophthegmata, Aussprüchen, die hier regelmäßig in „verwässerter“ Form<br />

erscheinen. Hier ist nicht genug Platz für eine tiefgehende Analyse dieses Werkes, doch wollen wir kurz einige seiner<br />

Hauptziele besprechen.<br />

Von den 265 Witzen behandeln 110 den scholastikos, wörtlich den, „der Vorlesungen (scholas) folgt oder abhält“. Es ist der<br />

pedantische Student, der Jurist, aber auch der <strong>Prof</strong>essor, kurz (wie Barry Baldwin einmal gesagt hat) der „Eierkopf“. Die<br />

Witze sind durchaus geistreich, etwa Nr. 55: „Ein junger scholastikos verkaufte seine Bücher, als er knapp bei Kasse war.<br />

Dann schrieb er seinem Vater: „Gratuliere mir, Vater, ich nehme schon Geld durch mein Studium ein!“ Zumeist aber<br />

konzentrieren sich die Witze auf die Dummheit oder gesellschaftliche Ungeschicklichkeit des scholastikos, wie in folgendem<br />

Beispiel, das zugleich die schaurige Realität der antiken Sklavengesellschaft offenbart: „Als ein scholastikos ein Kind von<br />

einem Sklavenmädchen hatte, riet ihm sein Vater, es zu töten. Er aber antwortete: „Begrabe du erst deine eigenen Kinder,<br />

dann rate mir, meine zu töten!“ (Nr. 5 7).<br />

Etwa 60 Witze betreffen Städte in der antiken Welt, die für ihre Dummheit berühmt waren: Kyme (an der Westküste der<br />

heutigen Türkei), Sidon (im heutigen Libanon) und Abdera (an der Küste Thrakiens). Diese Witze gehen selten über einen<br />

normalen Witz hinaus, in denen die Dummheit der Nachbarstädte gefeiert wird (Nr. 171):<br />

Ein Bewohner von Kyme brachte nach dem Tod seines Vaters in Alexandria den Leichnam zu den Mumien-Herstellern. Als<br />

er später zurückkam, um ihn abzuholen, hatte der Mann mehrere Leichname fertig und fragte den Sohn, woran man die<br />

Mumie des Vaters erkennen könne. Darauf antwortete dieser: „Er hatte Husten.“<br />

Weshalb die beiden erstgenannten Städte in diesen Witzen erscheinen, ist völlig unbekannt, Abdera hingegen war wegen des<br />

„lachenden Philosophen“ Demokrit bekannt, der seinen Namen bekommen zu haben scheint, weil er sich über die Dummheit<br />

seiner Mitbürger lustig machte und der in den philosophischen und moralisierenden Traktaten der späthellenistischen und<br />

römischen Zeit zu einer beliebten Figur wurde.<br />

In etwa 30 Witzen sind Ärzte Gegenstand des Witzes oder spielen zumindest eine Nebenrolle. Einige dieser Witze verbanden<br />

die Erwähnung von Ärzten sogar mit den schon erwähnten scholastikoi oder den ebenfalls bereits genannten Städten, die für<br />

ihre Dummheit bekannt waren: „Als jemand zu einem scholaslikos-Arzt kam und sagte, 'Wenn ich aufwache, ist mir eine<br />

halbe Stunde lang schwindlig, bevor ich mich wieder besser fühle', antwortete der Arzt: 'Wache eine halbe Stunde später auf!'<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 47/68

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