Humor - Prof. Dr. Horst Völz
Humor - Prof. Dr. Horst Völz
Humor - Prof. Dr. Horst Völz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
eine schlagfertige Reaktion kennt und die auch einmal einen höflichen Rüffel erteilen kann. Ein schönes Beispiel gibt eine<br />
Anekdote, die wiederum Cicero berichtet (2, 273):<br />
Einmal wollte der große Metellus den alten Ennius, den bedeutenden Dichter, in seinem abgelegenen Haus auf dem Aventin<br />
besuchen; seine Sklavin aber sagte, er sei nicht zu Hause. Metellus jedoch, der ihn gut kannte, ging in der festen<br />
Überzeugung fort, dass die Sklavin nicht die Wahrheit gesagt hatte. Einige Tage später kam Ennius zum Haus des Metellus<br />
und fragte nach dem Herrn - worauf Metellus rief, dass er nicht zu Hause sei. Verständlicherweise wurde Ennius daraufhin<br />
böse, aber Metellus beruhigte ihn: „Neulich habe ich deiner Sklavin geglaubt [römische Sklaven waren grundsätzlich<br />
Lügner], warum glaubst du jetzt nicht einmal mir selbst?<br />
Beide Männer der Dichter und der Senator standen auf der gleichen Stufe; einen davon offen einen Lügner zu nennen, wäre<br />
nicht angegangen.<br />
S. 36: Vielmehr untersagte das römische Recht, einen Bürger ( in der Praxis war damit ein Aristokrat gemeint) namentlich<br />
lächerlich zu machen .<br />
S. 37: Scherze innerhalb der Gruppe fungieren als Instrument der Gruppenkohärenz, Witze von außerhalb der Gruppe<br />
bedrohen den gesellschaftlichen Status der einzelnen Mietglieder und der Gesamtgruppe.<br />
S. 39: Während die athenische Komödie durchweg innerhalb der Normen ihrer Gesellschaft blieb, schuf die römische<br />
Komödie eine verdrehte „Verkehrte Welt“, in der sonst verbotene Dinge erlaubt waren.<br />
Aber da die griechische Neue Komödie bis zur Veröffentlichung von Menanders Dyskolos im Jahre 1958 unbekannt war,<br />
waren die älteren Ergebnisse dieser Forschung sehr von vorgefassten Annahmen über die künstlerische Höhe der Neuen<br />
Komödie und die Grobheit plautinischen <strong>Humor</strong>s geprägt.<br />
S. 40: Zum einem wurde die römisch - nicht nur die - plautinische Komödie bei Festen aufgeführt, und zwar sowohl bei nicht<br />
regelmäßig stattfindenden Gelegenheiten, wie bei Begräbnissen, Tempelweihungen oder Triumphen wie auch bei<br />
regelmäßigen Staatsfesten. Nun hat zwar jedes fest eine Einstellung der alltäglichen Normalität zur Folge, aber nicht jedes<br />
Fest ist ein Karneval; dafür nämlich sind spezielle Merkmale ritueller Umkehrungen notwendig.<br />
S. 44: Jedes abweichende Verhalten dadurch zu korrigieren, dass sie es lächerlich macht.<br />
Cicero: „Wir lachen über das, was schlechtes Verhalten anklagt und in nicht übler Weise offen legt“<br />
Jacques Le Goff: Lachen im Mittelalter<br />
S. 43: Eine Person, die das lachen auslöst, eine die lacht und eine über die gelacht wird. Recht oft auch die Person oder sie<br />
Personen, mit denen man gemeinsam lacht.<br />
Als kulturelles und soziales Phänomen muss lachen eine Geschichte haben.<br />
Nachdem der Autor daran erinnert hat, das jede Erklärung des Lachhaften das Lachen schlichtweg tötet und dass der Tod des<br />
Lachens alarmieren sollte, da das Lachen ein Quell des Vergnügens ist, geht der Autor zu einer langen Untersuchung über, an<br />
deren Ende er folgende Schlussfolgerung stellt: „Es ist sehr schwierig, die Bedeutung des Lächelns und Lachens zu<br />
bezweifeln, von welchem Blickwinkel auch immer man sie betrachtet.“ Er fügt dann klug hinzu, dass die Leichtigkeit, mit<br />
der viele eine Untersuchung des Lachens und des Lächelns als überflüssig erachten, eben ein Teil des Problems und der<br />
Funktion von Lachen und Lächeln ist. Ich möchte mit einem Zitat des russischen Autors Alexander Herzen enden, der vor<br />
über einem Jahrhundert folgendes beobachtete: „Es wäre höchst interessant, die Geschichte des Lachens zu schreiben.“ Was<br />
ich im folgenden unternehmen möchte, ist es, die Probleme zu skizzieren, die entstehen, wenn wir die Geschichte des<br />
Lachens im mittelalterlichen Westen konstruieren.<br />
Der Hintergrund und die Ziele meiner Forschungen<br />
Nach meiner Ansicht hat die Geschichte des Lachens zwei Aspekte. Die Schritte, die man unternehmen muss, die Methode,<br />
die Formulierung des Problems und - dies ist das Wichtigste - die Dokumentation sind jeweils verschieden; einerseits die<br />
Einstellungen gegenüber dem Lachen, andererseits die Manifestationen des Lachens von anderen. Man könnte eine<br />
traditionelle Unterscheidung treffen und von der „Theorie und Praxis des Lachens“ sprechen. Was den ersten Aspekt angeht,<br />
ist es relativ einfach, die mehr oder weniger theoretischen, normativen Texte zu sammeln, die uns sowohl über die<br />
Einstellungen gegenüber dem Lachen als auch mit Empfehlungen dazu, wie man lachen soll, versorgen. Man beobachtet,<br />
dass es wie bei den Tischsitten eine ganze Reihe von Texten über die Lachsitten gibt. In bezug auf diese Texte sind wir<br />
wahrscheinlich am besten versorgt. Das Problem der Praxis des Lachens ist weit komplexer. Hier treffen wir, wie ich meine,<br />
wiederum auf zwei Untergliederungen. Einerseits gibt es Texte, die in einer sehr beschränkten und unergiebigen Weise die<br />
Gegenwart und die Formen des Lachens erwähnen - etwa in einer Chronik, in der man eine Person zu lachen anfangen sieht.<br />
All diese Belege für das Lachen zu sammeln, ist für eine Untersuchung dieser Art von Bedeutung, doch sieht man sogleich,<br />
welche Art von Fischzug dies erst ermöglicht. Andererseits gibt es den riesigen Bereich dessen, was man allgemein als das<br />
Komische beschreibt. Hier gibt es eine ganz andere Schwierigkeit, da es notwendig ist, eine Analyse der Probleme des<br />
Komischen in eine äquivalente Analyse des Lachens zu transformieren, ohne dabei freilich den Blick darauf zu verlieren, was<br />
das besondere am Komischen ist oder an den Texten, in denen es Ausdruck findet. Anders gesagt: Man sollte zwischen den<br />
Texten unterscheiden, in denen das Lachen beurteilt wird, und denen, die darauf zielen, uns selbst zum Lachen zu bringen.<br />
Dies sind sehr verschiedene Dinge. Hier also begegnen wir einem der großen Probleme in unseren Forschungen: Der<br />
Heterogenität von Dokumenten, Themen und Konzepten. Wir müssen herausfinden, ob es eine übergreifende Begrifflichkeit<br />
hinter all diesem gibt. Ich sollte hinzufügen, dass man auf der einen Seite eine Geschichte der Werte und Mentalitäten findet,<br />
auf der anderen eine Geschichte der literarischen und künstlerischen Wiedergabe: Eine Geschichte des Lachens und des Uns-<br />
Lachen-Machens.<br />
Wir haben also gleich zu Beginn ein größeres Problem: Das der komplexen Verbindungen zwischen den vier eben genannten<br />
Bereichen - den Werten, den Mentalitäten, den Praktiken und der Ästhetik des Lachens. Um eine weitere Vorbemerkung<br />
anzuschließen: Auch wenn es zahlreiche Kategorien des Lachens gibt und auch wenn das Wortspiel nicht die wichtigste<br />
Kategorie dessen ist, was Lachen auslöst, müssen wir die Bedeutung von Worten und Sprache betonen. Glücklicherweise ist<br />
der Historiker hier besser ausgerüstet. Seit einiger Zeit haben wir nun die Möglichkeit, zu wissen, wie man die Perspektiven<br />
der Sprache, des Vokabulars und der Semantik verwenden kann, auch wenn die Anzahl ernsthafter und intelligenter<br />
Untersuchungen auf diesem Gebiet noch immer sehr klein ist. Schließlich gibt es das Problem des sprachlichen Mediums, das<br />
<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 49/68