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Humor - Prof. Dr. Horst Völz

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erfreute sich die comedia burlesca als Parodie auf die beliebten Comedias im spanischen Theater des 17. Jahrhunderts und,<br />

im gleichen Jahrhundert, die Burleske als Veralberung der klassischen <strong>Dr</strong>amen oder der zeitgenössischen Erfolgsstücke des<br />

englischen Theaters. Parodien auf klassische deutsche <strong>Dr</strong>amen waren die Publikumsattraktion des Wiener Volkstheaters.<br />

Auch die Geschichte des <strong>Dr</strong>amas als literarischer Gattung kennt viele Formen parodistischer Einsprengsel bis hin zu<br />

Parodien auf dramatische Formen, Epochalstile und einzelne <strong>Dr</strong>amen. Parodistische Mittel werden eingesetzt, um direkte<br />

Spitzen gegen Moden und Repräsentanten der zeitgenössischen Literatur auszuteilen. (Grabbes 'Scherz, Satire, Ironie und<br />

tiefere Bedeutung' etwa nimmt den zeitgenössischen Literaturbetrieb aufs Korn; bereits in der Antike ist der Tragöde<br />

Euripides in den Komödien des Aristophanes persönliche Zielscheibe des Spotts.) Die Parodie dient aber auch dazu, kritische<br />

Kommentare zur Handlung zu geben und sie durch komische Brechung zu relativieren. Brecht benutzt in seinem Stück 'Der<br />

aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui' Zitate aus Goethes 'Faust' und Shakespeares 'Richard III.', um auf das Gefälle zwischen<br />

hohem <strong>Dr</strong>ama und dem Schmierentheater der als Clowns dargestellten Nazi- Größen hinzuweisen. Das Theater der<br />

französischen Avantgarde, vor allem das zu ihr gehörende Absurde Theater, läßt sich durchaus auch als Parodie auf die<br />

klassische <strong>Dr</strong>amaturgie der französischen Tradition verstehen. Stücke mit indirekter Anspielung auf literarische Strömungen,<br />

Moden oder Normen hatten Erfolg auf der Bühne, während Parodien auf ganze <strong>Dr</strong>amen, wie F. Th. Vischers Adaption von<br />

Goethes 'Faust', nicht aufgeführt wurden. Sie fanden meist nur als Lesedramen Verbreitung.<br />

Literatur: T. Verweyen/G. Witting, Die Parodie in der neueren deutschen Literatur. 2. Aufl. Darmstadt 1980; G. Baumbach,<br />

Seiltänzer und Betrüger? Parodie und kein Ende. Ein Beitrag zu Theorie und Geschichte von Theater. Tübingen 1995.<br />

Burleske,<br />

Digitale Bibliothek Band 64<br />

von italienisch burla = Scherz oder burlesco = scherzhaft, begegnet zuerst im britischen Restoration Theatre in der<br />

französischen Schreibweise: Burlesque als Bezeichnung für eine Gattung des kurzen, komischen <strong>Dr</strong>amas. Ursprünglich<br />

handelt es sich um eine Travestie klassischer Stücke, insbesondere aber zeitgenössischer <strong>Dr</strong>amenmoden.<br />

Ein frühes Beispiel für diverse Formen der Parodie auf klassische Stoffe geben die fünf Akte von William Davenants 'The<br />

Playhouse to Be Lett' ('Ein Theater zu vermieten') von 1663. Lange gültiges Vorbild für die Veralberung der Routinen und<br />

Rezepturen des pathetischen und effekthascherischen Schauspiels seiner Zeit wurde dann 'The Rehearsel' ('Die Theaterprobe',<br />

1671) des Duke of Buckingham, eine dramatische Satire auf John <strong>Dr</strong>ydens erfolgreiche Heroentragödien (insbesondere auf<br />

das zweiteilige 'Almanzor and Almahide or The Conquest of Granada', 'Die Eroberung von Granada', 1670). Nachdem John<br />

Gay mit der 'Beggar's Opera' ('Die Bettleropen', 1728) und Henry Fielding mit 'The Tragedy of Tragedies or The Life and<br />

Death of Tom Thumb the Great' ('Die tragischste aller Tragödien oder Leben und Tod Däumlings des Großen', 1730/31), 'The<br />

Covent Garden Tragedy' (1732) und 'Pasquin' (1736) erfolgreiche Burlesken geschrieben hatten, lehnt sich an Buckinghams<br />

Handlungsschema noch Richard Brinsley Sheridans 'The Critic, or a Tragedy Rehearsed' ('Der Kritiker oder Die Probe eines<br />

Trauerspiels', 1779) an.<br />

Im 18. Jahrhundert werden Konventionen der Burleske, jetzt auf die Oper bezogen, auch in der Burletta aufgegriffen. Im<br />

amerikanischen Unterhaltungstheater des 19. Jahrhunderts bilden sich eigenständige Formen einer als Burlesque<br />

bezeichneten, freizügigen Bühnenshow heraus ( Variety-Show).<br />

Literatur: V. C. Clinton-Baddeley, The Burlesque Tradition in the English Theatre after 1660. London 1952.<br />

Hanswurst<br />

Digitale Bibliothek Band 64<br />

bereits im Mittelalter bekannte komische Person deutscher Possen und Farcen, die bei den Englischen Komödianten als<br />

Wursthänsel auftaucht und in den Hanswurstiaden der deutschen Wandertruppen des 18. Jahrhunderts, insbesondere in den<br />

Aufführungen der Truppe Franz Schuchs, zur stehenden Figur wird.<br />

Herausragende Bedeutung erlangt ein Spaßmacher dieses Namens im Wiener Volkstheater. Die prägenden Züge erhält er<br />

hier durch Johann Anton Stranitzky, der seit 1711 mit seinen Teutschen Komödianten im Theater am Kärntnertor in<br />

großangelegten Haupt- und Staatsaktionen auftritt und den Hanswurst als dummdreisten, bauernschlauen Salzburger spielt.<br />

Nach seinem Tod 1726 führt Gottfried Prehauser die Figur fort, die jetzt mehr und mehr in satirischen Bürgerpossen auftritt.<br />

Gegen die ganz aus dem Stegreif gespielten, von Schlüpfrigkeiten und politischen Anzüglichkeiten strotzenden Komödien<br />

richtete sich in der zweiten Jahrhunderthälfte eine von den Anhängern des literarischen, sittenbildenden Theaters entfesselte<br />

Polemik (»Hanswurst-Streit«). Trotz solcher Gegnerschaft konnte die Komik des Hanswurst fortleben im Bernardon des<br />

Johann Joseph Felix von Kurz, in Anton Hasenhuths kindlichem Thaddädl, in Adolf Bäuerles Parabluiemacher Staberl, der<br />

u.a. von Ignaz Schuster und dem Vorstadttheater-Direktor Carl Carl verkörpert wurde, und Johann La Roches Kasperl.<br />

Gestalten und Stoffe ihrer Stücke übten beträchtlichen Einfluß aus auf Figuren, Geschichten und Themen der Komödien<br />

Ferdinand Raimunds und Johann Nestroys. Die vom breiten Publikumsgeschmack begünstigte Wiener Hanswurst-Tradition<br />

brauchte, um sich erfolgreich behaupten zu können, keine größeren theoretischen Rechtfertigungsanstrengungen.<br />

Demgegenüber brachte Johann Christoph Gottscheds vehemente Verdammung der - allen dramatischen Regeln<br />

zuwiderhandelnden - komischen Person, die schon 1737 in Leipzig zu ihrer »Verbannung« von der deutschen Schaubühne<br />

geführt hatte ( Neubersche Truppe), die Verteidiger des Hanswurst im übrigen deutschen Sprachraum in ernste<br />

Legitimationszwänge. Überlegte und differenzierte Verteidigungsmaßnahmen wurden insbesondere durch die Kritik<br />

notwendig, die von seiten einiger, den Gottschedschen Regeln ansonsten durchaus skeptisch gegenüberstehender Autoren<br />

laut wurde: Im Namen der Aufklärungsideale verurteilte etwa Christoph Martin Wieland im zwölften Buch seiner (1767<br />

entstandenen) 'Geschichte des Agathon' den Hanswurst als Ausdruck des pöbelhaft-unvernünftigen Aufbegehrens der<br />

Unwissenden gegen alle kluge Staatspolitik, und Lessing wandte sich in der (1769 vollständig edierten) 'Hamburgischen<br />

<strong>Dr</strong>amaturgie' gegen die komische Person, weil sie dem für die vollkommene dramatische Wirkung nötigen Einklang der<br />

Zuschauerempfindungen hinderlich sei.<br />

Gegen eine solche gemäßigte, aber entschiedene Ablehnung des Hanswurst hatte bereits im Jahr 1747 Johann Heinrich<br />

Krüger im Vorwort zu seiner Übersetzung der 'Sammlung einiger Lustspiele' des Pierre Carlet de Chamblain de Marivaux<br />

Einwände vorgebracht. Er berief sich auf die Verfeinerung, welche die Possenfigur im Harlekin dieser französischen Stücke<br />

gefunden hatte und die dazu tauge, ihn dem allgemein akzeptierten dramatischen Wirkungszweck, der Verbesserung der<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 44/68

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