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Humor - Prof. Dr. Horst Völz

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Doktor genäht. Aber ich weiß, dass er nicht nähen kann, sonst wäre er Schneider geworden» (In «Sprüche aus dem Schloss“,<br />

Heft 6, unveröffentlicht, Wohnheim der Diakonie in Stetten).<br />

<strong>Humor</strong> als Lebenselixier<br />

Goethe hat einmal gesagt: «Ich liebe mir den heitren Mann am meisten unter meinen Gästen.» In der Tat sind humorvolle<br />

Kinder wie auch Erwachsene sozial attraktiver und gewinnen leichter die Herzen anderer Menschen als humorlose Mitbürger.<br />

Ein humorvoller Therapeut ist per se schon ein guter Therapeut.<br />

Das wurde in dem z.Zt. in den Kinos laufenden Film über Patch Adams, ein wirklich noch lebender und in seinem<br />

«Gesundheits-Hospital» praktizierender Arzt eindrücklich demonstriert.<br />

Untersuchungen belegen, dass humorvolle Therapeuten seltener krank sind und dass ihr <strong>Humor</strong> sie auch vor dem Burnout-<br />

Syndrom schützt.<br />

Die vielen Langzeitpatienten in unseren Kinderkliniken und insbesondere auf den Kinder-Krebsstationen bedürfen dringend<br />

humorvoller Therapeuten. Kinder erleben das Krankenhaus mit seiner Apparate-Medizin als befremdend, belastend und<br />

bedrohlich.<br />

In solcher sterilen und anti-emotionalen Klinikatmosphäre verlieren manche Kinder die Fähigkeit zum Spielen. Damit haben<br />

sie keine Möglichkeit mehr, ihre Besorgnisse und Ängste spielerisch zu verarbeiten. Um ihre innere Not zu wenden, ist es<br />

notwendig, dass sie wieder spielen lernen.<br />

Wer könnte da besser helfen als der Clown oder die Clownesse? Im Gewande von «Clown-Doktoren» oder «Lachärzten»<br />

bringen sie mit ihren «Clown-Visiten» ein wenig Fröhlichkeit in die Krankenzimmer. Dabei dauert es meist nicht lang, bis<br />

die kleinen Patienten sich freudig in das fröhliche Clownspiel einbeziehen lassen.<br />

Schon allein die Clown-Requisiten in Form quietschender Reflexhämmer, übergroßer Fieberthermometer und Ulkspritzen<br />

rufen bei den Kindern herzhaftes Lachen hervor. Das trifft auch für die skurrilen Diagnosen und lustigen<br />

Therapieanweisungen, z.B. dreimal täglich Kakaoeinläufe oder -transfusionen zu.<br />

Vor notwendigen Eingriffen wird die Operation mit großem Trara und unter großzügiger Verwendung von Toilettenrollen als<br />

Verbandszeug an Puppen oder Plüschtieren mit Hilfe der Kinder spielerisch vollzogen. Das lindert ihre Erwartungsängste<br />

und stärkt ihre Hoffnung auf Heilung.<br />

Untersuchungen an krebskranken Kindern haben gezeigt, dass sie sich nach den Clownbesuchen wesentlich besser fühlten<br />

und sich auf die nächste Clownvisite freuten (Meincke u. a. 1997). Die Kinder halten dabei förmlich Ausschau nach spaßigen<br />

Ereignissen. Sie spüren instinktiv, dass sie <strong>Humor</strong> und Lachen zum Überleben brauchen.<br />

Wenn ein Kind sich gerade über einen lustigen Zaubertrick einer Clownin gefreut hat, wird das «Glückshormon» Endorphin<br />

ausgeschüttet, das nachweislich auch die Schmerzen mindert. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich 1 1/2<br />

Millionen Kinder ins Krankenhaus kommen, dann leuchtet ein, welchen hohen Stellenwert das «Lachen auf Rezept» vor<br />

allem in unseren Kinderkliniken hat (vgl. Heeck 1997 und Kiphard 1998).<br />

Lächeln und Lachen als Gefühlsausdruck<br />

Schon Babys gebrauchen instinktiv das Lächeln in enger Korrespondenz mit der Mutter als Medium des emotionalen<br />

Austauschs. Als soziales Phänomen signalisiert Lächeln Offenheit und Kontaktbereitschaft. Es schlägt die Brücke vom Ich<br />

zum Du. Man kann sein Lächeln anderen schenken. Und selbst im Umgang mit Fremden löst ein Lächeln Spannungen auf,<br />

«entwaffnet» den Partner und hemmt Aggressionen.<br />

Während das spontane soziale Lächeln schon im Alter von nur wenigen Wochen auftritt, kann man das Lachen erst etwa ab<br />

vier Monaten beobachten. Es entsteht, wenn die Mutter das Baby liebevoll «knuddelt» und dabei lustige Geräusche von sich<br />

gibt. Erst mit einem Jahr kommt es zu Lachreaktionen aufgrund komischer Ereignisse und die Norm verletzender<br />

Handlungen. Wenn beispielsweise die Mutter aus Spaß am Fläschchen saugt oder die Zunge rausstreckt, so reizt dies zum<br />

Lachen.<br />

Lachen ist willentlich nicht steuerbar, es geschieht einfach reflexhaft. Einmal ausgelöst, macht es sich selbständig. Jeder<br />

Versuch, das eigene Lachen zu unterdrücken, ist von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Mir ist eine solche Situation aus<br />

meiner Kindheit in Erinnerung.<br />

Während des täglichen Mittagessens, das mein gestrenger Vater zu einem Ritual machte, bekam ich plötzlich einen<br />

regelrechten Lachanfall. Klar, dass ich sofort hinausgeworfen wurde mit der Weisung, wieder hereinzukommen, wenn ich<br />

wieder «vernünftig» sei. Ich nahm mich wirklich zusammen. Aber jedes Mal, wenn ich das Esszimmer betrat und in das<br />

ernste und würdevolle Gesicht meines Vaters blickte, prustete ich erneut los. Das Lachen hatte von mir Besitz ergriffen.<br />

Im ausgelassenen Lachen kann der Unterdrückte endlich «Dampf ablassen“. Lachen wirkt hier wie eine Befreiung. Gerade<br />

der behinderte Mensch wendet sich im Lachen gegen alle im Leben erduldeten Zurücksetzungen, Verletzungen und<br />

Ungerechtigkeiten. Lachen bedeutet aber auch den Sieg über die eigene Furcht vor allem Autoritären und «Heiligen“. Indem<br />

der lachende Mensch sich über alle Zwänge und Tabus hinwegsetzt, rebelliert er gegen alles Starre und Verbotene. Insofern<br />

ist im Lachen auch etwas Aggressives verborgen; zumindest dient es der Selbstverteidigung.<br />

Derartige befreiende Grenzüberschreitungen durch ein exzessives Sich-Ausschütten vor Lachen bewirken immer auch eine<br />

erhöhte Ausatmung. Deshalb ist das Lachen, außer dem Singen, eine hervorragende natürliche Atemübung. Schade, dass das<br />

tägliche Lachen nicht auf dem Stundenplan steht!<br />

Die Lachforschung, Gelotologie genannt (von griech.: gelos, das Lachen), hat sich intensiv mit den positiven körperlichen<br />

Veränderungen befasst, die durch intensives Lachen ausgelöst werden. So erhöht sich nach Untersuchungen von Berk (1994,<br />

1996) der Adrenalin- und Noradrenalspiegel im Blut und wirkt damit entzündungshemmend.<br />

Außerdem vermehren sich die Immunglobulin-Antikörper, was eine bessere Immunabwehr zur Folge hat. Und last but not<br />

least sorgt der schon erwähnte Endorphinspiegel dafür, dass der «homo ridens“, der lachende Mensch sich gut fühlt und<br />

vermehrte Lebensfreude empfindet.<br />

Freude als Lebensbereicherung<br />

Marianne Frostig (1973, 1978) wie auch Verena Kast (1991, 1998) stellen mit Bedauern fest, dass die Freude als das<br />

positivste menschliche Gefühl in der Psychologie wie auch generell in der Therapie zu kurz kommt. Dabei ist das Erwecken<br />

<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 21/68

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