Humor - Prof. Dr. Horst Völz
Humor - Prof. Dr. Horst Völz
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"Schön, komm morgen zu mir und hole dir achtundzwanzig Silbergroschen ab! Übermorgen kannst du weitere zwanzig<br />
Silbergroschen kassieren, das sind achtundvierzig Silbergroschen. Bleiben also fünf lumpige Silbergroschen. Stimmt's? Du<br />
ungehobelter Bursche, schämst du dich nicht, wegen fünf lumpiger Silbergroschen mir hier auf dem Basar einen Skandal zu<br />
machen? Man möchte weinen über dich. Geh mir jetzt aus den Augen!"<br />
Wer den Duft des Essens verkauft, Die große Familie des Till Eulenspiegel (Werbung Ruth)<br />
Das Ringen um menschliche Eigenschaften und Leidenschaften hat schon immer die Literatur beflügelt, ja eigentlich erst<br />
ermöglicht. Der Held ist in dieser Veranstaltung der Narr, Possenreißer, Harlekin usw. Lachend, augenzwinkernd oder auch<br />
burschikos – derb weist er das Publikum auf zu verändernde Zustände hin und stärkt dabei mit seinen Mitteln unser<br />
Selbstvertrauen. Dieser ungewöhnliche, von nicht wenigen gern erstrebte Sonderling ist auf jeweils spezifische Art in fast<br />
allen Ländern anzutreffen. In der Veranstaltung treten u.a. auf: Till Eulenspiegel aus Norddeutschland, Hans Clauert aus<br />
Trebbin, Si Than Tschai aus Tailand, Tsching Miang aus Laos, Tschang Kuin aus Vietnam, A Chej aus Cambodscha,<br />
Hodscha Nasreddin aus der Türkei und Goha aus Arabien. Fast immer stammen die Figuren dieses Typs aus der<br />
Volksliteratur und verkünden so auch des Volkes Weisheit. An den besonderen Schwänken und Anekdoten dieser Gestalten<br />
werden Sie sich gewiss erfreuen.<br />
<strong>Humor</strong> und Therapie<br />
Im ersten "Deutschsprachigen Wörterbuch für Psychotherapie" (Springer Verlag, 2000) beschreibt <strong>Dr</strong>. phil. Peter Hain<br />
"<strong>Humor</strong>" als therapeutischen Fachbegriff:<br />
Wurde bereits in den 20-er Jahren von Freud als hochstehender Abwehrmechanismus ("die siegreich behauptete<br />
Unverletzlichkeit des Ich") diskutiert und von Adler als eine, die Therapie fördernde Grundhaltung gewürdigt (vgl.<br />
Bernhardt, 1985). Frankl, der eigentliche Pionier des therapeutischen <strong>Humor</strong>s, betonte, dass nichts den Patienten so sehr von<br />
sich selbst distanzieren lasse, wie der <strong>Humor</strong> und sich der durch die paradoxe Intention eingeleitete Einstellungswandel<br />
gerade in der <strong>Humor</strong>reaktion anbahne.<br />
In den 60-er Jahren rückte dann Farrelly (Farrelly & Brandsma,1985) den <strong>Humor</strong> seinerseits ins Zentrum der Provocative<br />
Therapy und zeigte, wie viel mehr an therapeutischer Herausforderung Klientinnen zugemutet werden kann, wenn es<br />
humorvoll geschieht.<br />
Aber auch wichtige Vertreter und Pioniere anderer Therapierichtungen hielten <strong>Humor</strong> für ihre therapeutische Arbeit<br />
bedeutsam, wie z.B. Berne, Ellis, Beck, Lazarus und Watzlawick, oder waren für Ihren humorvollen Stil bekannt, wie M.<br />
Erickson oder Withaker.<br />
Aktualisiert durch die Ergebnisse der noch relativ neuen Lachforschung (Gelotologie) haben sich während der letzten 10<br />
Jahre Veröffentlichungen zu Lachen und <strong>Humor</strong> auch in der psychotherapeutischen Fachliteratur vervielfacht. Während sich<br />
das physiologische Potential u.a. darin zeigt, dass <strong>Humor</strong> das Immunsystem beeinflusst, dass Lachen Schmerz reduzieren,<br />
Stressabbau, Durchblutung und Verdauung fördern, oder helfen kann, den Blutdruck zu senken, wirkt das emotionale,<br />
kognitive und kommunikative Potential des <strong>Humor</strong>s (vgl. Titze et al.,1994) nur dann konstruktiv, wenn die wichtigsten<br />
Grundbedingungen, v.a. Empathie und Wertschätzung, oder die Bereitschaft von Therapeutinnen, auch die eigene Position<br />
gegenüber Klientinnen humorvoll beleuchten und relativieren zu können, erfüllt sind (Hain, 1996).<br />
Therapeutischer <strong>Humor</strong> induziert oft einen leichten Trancezustand (vgl. Konfusionstechnik), initiiert innere Suchprozesse<br />
und kann die therapeutische Wirkung von Metaphern, Umdeutungen oder Suggestionen verstärken. Innerhalb des<br />
Bezugsrahmens des/der Klientin eröffnen gemeinsam mit dem/der Therapeutin entwickelte humorvolle Phantasiereisen oft<br />
schnellen Zugang zu neuen Ressourcen und Perspektiven (vgl. Inframing, Hain, 1993). Prophylaktisch avanciert der <strong>Humor</strong><br />
als lernbare Fähigkeit zur coping strategy und somit von der Intervention zum therapeutischen Ziel.<br />
Literatur:<br />
Bernhardt, J.A.: <strong>Humor</strong> in der Psychotherapie. Weinheim (Beltz) 1985<br />
Farrelly, F., & Brandsma,J.: Provokative Therapie. Berlin (Springer) 1985<br />
Hain, P.: Inframing - Bitte einsteigen und die Türen öffnen! In: Mrochen, S., et al. (Hrsg.): Die Pupille des Bettnässers.<br />
Heidelberg (Auer) 1993<br />
Hain, P.: <strong>Humor</strong> als therapeutische Intervention. In: Peter, B.,& Kraiker,C. (Hrsg.)<br />
Hypnose und Kognition, Band 13 (1+2). München (M.E.G. Stiftung) 1996: 251-256<br />
Titze, M., Eschenröder, C., Salameh,W.: Therapeutischer <strong>Humor</strong> - ein Ueberblick. In: Integrative Therapie 3/1994: 200-234<br />
Das Buch von <strong>Dr</strong>. phil. Peter Hain über Wirkfaktoren in der Psychotherapie ("Das Geheimnis therapeutischer Wirkung", Carl<br />
Auer Verlag, Oktober 2001) beinhaltet auch zwei Kapitel über <strong>Humor</strong>.<br />
Was ist <strong>Humor</strong>?<br />
Ein Beitrag von Michael Titze<br />
Das lateinische Wort humor bedeutet Feuchtigkeit, Saft. Wo also <strong>Humor</strong> ist, da erscheint die Welt nicht als spröde und<br />
trocken. Sie wird vielmehr von einer Flüssigkeit durchdrungen, die die Objekte mit eleganter Leichtigkeit verbindet. Als<br />
humores bezeichnete die antike Medizin die Körpersäfte (Blut, Galle, Schleim und schwarze Galle) eines Menschen.(1) Ein<br />
"guter <strong>Humor</strong>" hängt nach der Vorstellung der mittelalterlichen Temperamentenlehre von einem ausgeglichenen Verhältnis<br />
dieser Säfte ab, woraus sich der entsprechende Gemütszustand herleitet. So meinte "humour" im 16. Jahrhundert im<br />
Englischen Stimmung, Laune, aber auch ein von den Normen und Konventionen abweichendes, exzentrisches Verhalten.(2)<br />
Seit dem 18. Jahrhundert bezeichnet das Wort <strong>Humor</strong> "die heiter-gelassene Gemütsverfassung inmitten aller<br />
Widerwärtigkeiten und Unzulänglichkeiten des Daseins".(3)<br />
Der <strong>Humor</strong> stellt ein komplexes Phänomen dar, welches kognitive, affektive und physiologische Aspekte einbezieht.<br />
Auslöser der "<strong>Humor</strong>reaktion" (Erheiterung) sind unter Anderem witzige Bemerkungen, paradoxe Wortspiele, absurde<br />
Übertreibungen, widersinnige Handlungen, komische Parodien, frecher Schabernack und seltsame Ausdrucksformen der<br />
Mimik und Gestik(4). Dies verweist auf Elemente von <strong>Humor</strong>entstehung, die Arthur Koestler(5) beschrieb:<br />
1. Eine normativ ungebundene bzw. ungeregelte Originalität des Denkens, die verblüffend und ungewohnt, vielleicht auch<br />
unlogisch oder gar befremdlich ist.<br />
<strong>Humor</strong>.doc angelegt 21.2.02 aktuell 04.08.02 Seite 38/68