Handlungspotenziale von Industrie- und Handelskammern
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IHK-Mitglieder beitragsfrei, was einer Anzahl <strong>von</strong> mehr als 1,5 Mio. Gewerbetreibenden<br />
entsprach (vgl. Schmidt-Trenz 2006, 161). Die IHKs hatten damit – nach den<br />
Definitionen der ökonomischen Theorie kollektiven Handelns (vgl. Schmidt-Trenz<br />
2006; Goltz 2002) – ein massives Kontributionsproblem, das Problem des sog.<br />
Trittbrettfahrertums bei der Herstellung <strong>von</strong> Kollektivgütern. Alle Mitglieder hatten <strong>von</strong><br />
den Leistungen profitiert <strong>und</strong> genossen volles Wahlrecht für die Vollversammlung,<br />
aber nur die Hälfte hatte sich an der Aufbringung der Kosten beteiligt. Mit einem<br />
Schlag wurde nun 1994 ein erheblicher Teil der Gewerbetreibenden beitragspflichtig,<br />
was die Kritik an der Pflichtmitgliedschaft mit Beitragszwang <strong>und</strong> den Leistungen der<br />
IHKs bis hin zur Anstrengung einer Verfassungsklage enorm beflügelte 10 . Noch bevor<br />
das BverfG 2001 die Pflichtmitgliedschaft mit Beitragszwang bestätigte, wurde<br />
1998 das IHKG erneut geändert (IHKÄndG) <strong>und</strong> 1999 die Beitragsfreiheit für Kleinstgewerbetreibende<br />
(zur Definition s. Kap. 2.2.6) wieder eingeführt. Damit sind wieder<br />
ca. ein Drittel der IHK-Mitglieder beitragsfrei gestellt worden (s. ebd., 162).<br />
Über alle Kammern hinweg blieb aber für einen Anteil <strong>von</strong> 15-20% der Mitglieder die<br />
Beitragspflicht erhalten, die bis 1994 noch beitragsfrei waren. Dieser Mitgliederanteil,<br />
der je nach regionaler Betriebsgrößenstruktur auch noch höher ausfallen kann, ist<br />
somit <strong>von</strong> der Beitragspflicht unverhältnismäßig stark betroffen, da ihr Jahresertrag<br />
bescheiden ausfällt, aber über der Freistellungsgrenze liegt. Ihre Unzufriedenheit mit<br />
den „Gegenleistungen“ der IHK dürfte stark ausgeprägt sein. Da diese Betriebsinhaber/innen<br />
aber auch stark durch die Betriebs- bzw. Existenzsicherung in Anspruch<br />
genommen werden, nehmen sie ihre Mitwirkungsrechte in der Kammer wenig bis gar<br />
nicht wahr, was in unseren mit Kleinunternehmer/innen <strong>und</strong> Solo-Selbstständigen<br />
bestätigt worden ist. Aus Sicht der Kammerorganisation stellen sie mithin eine<br />
„schwierige“ Mitgliedergruppe dar. Nach Schmidt-Trenz (2006, 163), der sich auf eine<br />
Mitgliederbefragung der IHK Karlsruhe <strong>von</strong> 1994 bezieht, korreliert die Wahrnehmung,<br />
dass die Leistungserbringung durch die IHK <strong>von</strong> hoher Qualität sei, mit der<br />
Nähe der Befragten zum Kammergeschehen. Auch eine IHK-Umfrage aus dem Jahr<br />
2005 bestätigte, dass insbesondere die Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten<br />
mit der Kammer unzufrieden sind, wohingegen zwei Drittel bis drei Viertel der<br />
größeren Unternehmen sich zufrieden äußern (zit. nach Sack u.a. 2008, 144).<br />
Am anderen Ende der Betriebsgrößenskala können Großunternehmen, wenn sie unzufrieden<br />
mit der Kammer sind, auf diese Druck ausüben, in dem sie mit dem Austritt<br />
bzw. der Betriebsverlagerung drohen <strong>und</strong> politisches Lobbying für ihre Interessen<br />
10 1996 wurde <strong>von</strong> 350 Gewerbetreibenden im Kammerbezirk Dortm<strong>und</strong> der IHK-Verweigerer e.V.<br />
gegründet (www.ihk-verweigerer.de). Nach eigenen Angaben sind die Kammerkritiker seit 2000 in<br />
allen Kammerbezirken organisiert <strong>und</strong> versuchen, auf die IHK-Vollversammlungen einzuwirken.<br />
Weitere Kritiker(gruppen) bleiben hier wegen sehr polemischer Äußerungen <strong>und</strong> unangemessener<br />
historischer Vergleiche außer Betracht.