Freundesbrief 2011 - Hospizbewegung Ratingen

Vielleicht denken manche
Menschen nicht an Wut im
Zusammenhang mit Trauer,
aber sie kommt oft in der
Trauer vor und will angeschaut
und WAHRgenommen
werden. Verdrängte Wut
oder verdrängte Trauer können
zerstörerisch sein. Die
Freundin sagte: "mach’ etwas
mit mir", und wir beschlossen,
zusammen zum Bach in
unserem Wald zu gehen. Ihre
Wut über verschiedene Dinge
im Zusammenhang mit ihrer
Scheidung hatte sie auf dicke
Kieselsteine geschrieben. Sie
schleuderte sie mit aller Kraft
und manchmal unter Schreien
in das Wasser. Dann schöpften
wir in einem schönen
kleinen Flakon Wasser aus
dem Bach, das sie mit nach
Hause nahm. Die Wut war
nicht weg. Die Steine lagen
am Grund des Baches, aber
das Wasser des Lebens floss
darüber hin, das Leben ging
weiter. Sie konnte sich diese
Symbolhandlung immer wieder
vor Augen führen und
sich dem Leben, so wie es
war, zuwenden. Übrigens
steht das schöne Fläschchen
heute noch in ihrem Regal im
Wohnzimmer, und ich freue
mich, wenn ich es sehe.
Für manche junge Menschen
ist der Abschied von der
Schule und der Schritt ins
Leben mit Trauer und Angst
verbunden. Trauer, weil etwas
unwiederbringlich verloren
ist, Angst vor dem, was
kommen wird. Da hilft auch
oft ein kleines Ritual, ein
Segen, vielleicht verbunden
mit einem Gegenstand, der
etwas symbolisiert. Es könnten
ein Paar Schuhe sein für
den neuen Weg, den man nun
geht. Es könnte ein Seil zerschnitten
werden als Zeichen,
dass der junge Mensch losgelassen
wird. Der Phantasie
sind keine Grenzen gesetzt,
aber die Zeichen und Rituale
entfalten eine Wirkkraft und
bleiben im Gedächtnis.
So kann man sich Rituale
schaffen oder sich an hergebrachten
Ritualen festhalten.
Jeder Mensch wird finden,
was ihm gut tut und was ihm
hilft, in schwierigen Situationen,
die ja meist mit Abschied
und Trauer verbunden
sind, zu überleben.
Marianne Speckamp
39