Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
117<br />
STIMME: wie gewohnt, ganz selbstverständlich also, wurden die ausführungen des genossen Josef<br />
<strong>Stalin</strong> von stürmischem beifall begleitet (entsprechendes klatschen usw)- aber zu unser aller,<br />
also auch Josef <strong>Stalin</strong>s grosser freude, haben die delegirten auch bei der rede des genossen<br />
Kirow nicht mit zustimmung gegeizt. (wiederum wird besagte reaktion hörbar, unüberhörbar stärker<br />
noch als bei <strong>Stalin</strong>). Kirow entpupptesich uns und unserer sozialistischen welt als ein wahrhaft<br />
"flammender tribun". die stürmische zustimmung wuchs aus zum orkan, als er ausrief: "hol's der<br />
teufel, schlicht menschlich gesagt: die leute wollen doch nur leben und nichts weiter", ein<br />
wahrwort, das ihn, Kirow, ganz gewiss nicht das leben kosten wird; denn er ist ja aufs<br />
freundschaftlichste verbunden dem Grossen Bruder <strong>Stalin</strong>, der über ihn seine schützenden hände<br />
hält, hände, die stark genug, etwaige bösartige neider abzuwürgen. genosse <strong>Stalin</strong> weiss sich des<br />
vertrauens seines parteivolkes absolut sicher. wir delegirte wissen, was der führer in seiner übergrossen<br />
demut nicht wahrhaben will: über den kopf wachsen kann dem grossen <strong>Stalin</strong> kein<br />
mensch. keiner steht neben ihm, geschweige über ihm, seine parteifreunde stehen zu ihm wie ein<br />
mann, was ein mann wie Kirow aufs überzeugendste verkörpert. <strong>Stalin</strong> der Grosse beweistsich als<br />
der allergrösste, indem er grosse männer als mitarbeiter zurentfaltungskommenlässt. unser<br />
absolutsuwerän ist suwerän genug, mitgenossen mitbestimmung einzuräumen, liebend-gerne<br />
solchen, die sich wie Kirow für ihn in stücke hauenliessen. - soeben erfahren wir, das ergebnis der<br />
neuen vorstandswahlen sei ermittelt worden. wir beglückwünschen genossen <strong>Stalin</strong> zu dem für ihn<br />
stolzen ergebnis. gegen ihn sind lediglich 292 stimmen abgegeben worden; 3/4 der abgeordneten<br />
votirten für ihn. (zuerst eisiges schweigen, dann ein allgemeines raunen, das einem gezischel<br />
gleichkommt. plötzlich geht stichflammenartig grelles licht an; <strong>Stalin</strong> steht unbeweglich da, wie<br />
erstarrt. jetzt zuckt ein blitz ins zimmer, folgt ein ohrenbetäubender donnerschlag)<br />
REKTOR: ein wahlergebnis - ein einziges donnerwetter. wann schlägt er ein, der nächste oder der<br />
übernächste blitz? - Josef, 292 delegirte wählten Kirow. im klartext: 929 haben Dich und damit<br />
mich als Dein besseres selbst abgewählt, 292 abweichler von uns selbst, selbst von unsereins. -<br />
(<strong>Stalin</strong> bleibt noch unbeweglich) Josef, stehst ja da, als wärest Du zur salzsäule erstarrt. willst nicht<br />
wahrhaben, was die stunde schlägt? bedenk: Kirow steigt's bereits zu kopf. der faselt davon,<br />
nunmehr ein allgemeines und gleiches wahlrecht durchzudrücken, damit selbst noch die dummen<br />
bauern zu einer gleichberechtigung kommen, die saublöden kreaturen unmöglich zugestanden<br />
werden darf. im kleinen, im wahlausschuss unserer partei, fängt die giftschlangenarbeit an, im<br />
grossen endet sie. der kluge mann baut vor, wehrt also den anfängen. ah, endlich, das eis taut,<br />
Josef steht nicht mehr da wie erfroren, rührtsich, langsam aber sicher - aber es muss nun schnell<br />
und sicher über diese unsere bühne gehen, was gefordert<br />
STALIN: zu volkes wohl, nicht unseres eogismus wegen.<br />
REKTOR: über binsenwahrheiten reden wir erst nicht. (neuer blitz zuckt herein, donnerschlag folgt<br />
sogleich) Josef, blitzartig muss Dir klarwerden: noch hast Du Deine partei nicht so im griff, wie es<br />
wünschenswert, zum wohle des volkes, verstehtsich.<br />
STALIN: geheimdienst und armee leisten mir gefolgschaft, weil sie meinen, ich folge der partei