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teln? damals schwamm man mit dem strom, jetzt schwimmt man dagegen.<br />
JOHANNES: dann erst wachsen wir über uns hinaus, wenn wir nicht mit-, sondern dagegen anschwimmen.<br />
TROTZKI: um abzusaufen. HerrGott, da mag jemand so hochkwalifizirt sein, wie man es sich nur<br />
wünschen kann, hat er die zeitströmung gegen sich, hat er ausgespielt - da mag einer so unkwalifizirt<br />
sein wie <strong>Stalin</strong>, der schaffts, weil er halt imsinne der ehernen gesetze der geschichte<br />
handelt.<br />
JOHANNES: die gesetze, die ihr vergötzt, die scheinen mir reichlich gnadenlos zu sein.<br />
TROTZKI (aufstutzend) gnadenlos? ja. ich sagte doch, ich kann kaum an gnade glauben.<br />
JOHANNES: wer die gnade verschmäht, der kommt unweigerlich unter die unerbittliche knechtschaft<br />
dieses weltgesetzes. auch das ist ein gesetz, eins der heilsordnung. und das vollendet sich<br />
als sklaverei, die der satan als fürst dieser welt uns aufzwingen kann, weil wir zuvor in unserer<br />
freiheit für ihn votirten.<br />
TROTZKI: wer rettet Russland vor der machtergreifung des besessenen?<br />
JOHANNES: vielleicht der, der fragt.<br />
TROTZKI: ich bin Jude. das volk der Russen mag mich, will mich aber kaum als ersten mann - und<br />
meine landsleute Sinowjew und Kamenew wollen es ebenfalls nicht.<br />
JOHANNES: kann er nicht, weil Er nicht will?<br />
TROTZKI: das volk muss mich wollen, dann erst will und kann ich auch selber wollen.<br />
III. AKT, 12. BILD, 18. szene<br />
SINOWJEW: es ist unübersehbar, genosse Trotzkis stern verblasst<br />
KAMENEW: der gewiefte taktiker - wie unüberlegt er plötzlich lavirt. er setztsichzurwehr gegen<br />
unsere angriffe so, als betreibe er verräterische frakzionsbildung, gegen die er sich selber einmal<br />
aussprach, er attackirte uns in der öffentlichkeit mit seinem pamflet: "lehren des Oktober" <strong>Stalin</strong><br />
kann nun dagegen halten.<br />
SINOWJEW: er erbringt einen geradezu klassischen beweis, wie angriff keineswegs immer die<br />
beste verteidigung ist.<br />
KAMENEW: Trotzki lief uns ins offene messer<br />
SINOWJEW: und schon verblutet er. die genossen befanden, Trotzki müsse das kriegskommissariat<br />
räumen.<br />
KAMENEW: womit er praktisch entmachtet ist.<br />
SINOWJEW: politisch tot. so ganz entspricht mir das freilich nicht dem gebot des gleichgewichts<br />
der kräfte. hoffentlich ist Trotzki nicht stärker geschwächt, als uns liebsein kann.<br />
KAMENEW: das ziel ist erreicht, aber schlimm, wenn wir dabei übers ziel hinausschossen. wir<br />
benötigten nur die unterstützung von einigen wenigen genossen, um die mehrheit auf dem letzten<br />
parteitag zu erhalten.<br />
SINOWJEW: ich konnte jedoch diese mehrheit nicht aufbringen. ich unterlag mit knapper minderheit,<br />
aber nun zugehöre ich nicht mehr der mehrheit.