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Stalin

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188<br />

JOHANNES: gäbe es keine realität, es gäbe nichts simbolisches. ein simbol ist umso bedeutungsvoller<br />

und entsprechend ansprechender, auf je realistischere realität es sichbezieht.<br />

REKTOR: hörsich das einer an - des apostolischen Johannes totenpredigt! (siehtsichum) na ja, hir<br />

ist kein publikum. zum glück. fändet Du Dein auditorium maximum auf dem friedhof, wie würdest<br />

Du jetzt ausgezischt.<br />

JOHANNES: würden sie es wagen, wo sie gefahrliefen, <strong>Stalin</strong> zu kränken?<br />

REKTOR: würde <strong>Stalin</strong> sie erlauben, diese Deine predigt?<br />

JOHANNES: allerdings, daran hängt's. liesse er mich gewähren<br />

REKTOR: himmel, arsch und zwirn - er hätte sich alsdann für Dich als für sein eigentlich wesentliches<br />

selbst entschieden.<br />

(die bühnenszene blendet erneut ab. halbdunkel, das verhalten sich schliessliche wiederlichtet.)<br />

IV. AKT; 14. BILD; 10. szene<br />

REKTOR: wie die zeit vergeht - als läge nichts dazwischen, als wär alles nur wie ein einziger augenblick.<br />

JOHANNES: von einem augenblick zum anderen vergeht die zeit, weil's blitzschnell der ewigkeit<br />

entgegengeht bzw. entgegenfährt bzw. entgegenfliegt, je nach zeitgemähsem technikstand.<br />

REKTOR: na ja, wie oft ist nach kurzem zeitlichen abstand bereits gras übers grab grab gewachsen.<br />

anders allerdings bei <strong>Stalin</strong>. da, schau, da kommt er wieder zum friedhofsbesuch.<br />

JOHANNES: unverkennbar das schwarze mächtige automobil, das gemächlich den weg zwischen<br />

den gräbern entlangfährt. da, <strong>Stalin</strong> steigt aus<br />

REKTOR: die wachen sind auf zack, forschen nach, ob sich auch kein attentäter zwischen den<br />

umstehenden grabsteinen versteckthält. hahaha, wer den friedhof besucht, sagt damit noch lange<br />

nicht, er möchte sich ebenfalls gerne begrabenlassen.<br />

JOHANNES: <strong>Stalin</strong> vertieftsich einmal mehr in das marmone haupt, das die gesichtszüge der verstorbenen<br />

so getreulich wiedergibt, unauslöschliche idealität unseres ganz persönlichen wesens<br />

widerspiegelt.<br />

REKTOR: wie oft haben wir das nun schon miterlebt: sie bringen ihm einen stuhl. <strong>Stalin</strong> setztsichnieder<br />

zur totenwache. sogar um mitternacht nimmt er sich zeit, solcher zwiesprache mit der<br />

verstorbenen raumzugeben. na ja, vor spuk hat er jedenfalls keine bange.<br />

JOHANNES: lt. volksmund zieht es den verbrecher immer wieder zum tatort zurück - bisweilen<br />

sogar als spukungeisterei vom jenseits her.<br />

REKTOR: das sagst auch Du, so unaufgeklärtes zeugs?<br />

JOHANNES: sags auch noch: hat der zögling aus klosterschule und priesterseminar auch eine<br />

zeitlang das beten verlernt - das gelernte sitzt dennoch.<br />

REKTOR: wenn auch hoffentlich anders als gelernt.<br />

JOHANNES: das eben steht jetzt an zur entscheidung.<br />

REKTOR: da - hör! es ist, als könnten wir mitanhören, was genosse <strong>Stalin</strong> mit sich selbst bespricht.

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