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Stalin

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meine es nur gut mit Ihm! (er geht auf Johannes zu, gibt ihm einen pastorenkuss auf die schulter)<br />

so, guter freund, jetzt gerate nur nicht ins schwärmen und behaupte, mit einem kusse würde einmal<br />

mehr der Menschensohn verraten. es handeltsich nur um einen väterlich wohlmeinenden abschiedskuss.<br />

(abgehend stutzt er auf) was ist das? ach ja, die verbotene lektüre, bei der wir Josef<br />

überraschen mussten: der Grossinkwisitor von Dostojewski! unser spiritual lassesich nur nicht<br />

einfallen, ihm dieses buch zum zeitvertreib in seiner arrestkammer zukommenzulassen. hoffen wir,<br />

aus Josef Dschugschwali doch noch einen ordentlichen teologen machenzukönnen. die chancen<br />

sind nicht schlecht. seine schulischen leistungen liegen über dem durchschnitt. jetzt liegt's nicht<br />

zuletzt an unserer erziehung, was aus dem jungen wird.<br />

JOHANNES: in der tat, wir werden zur verantwortung gezogen für jeden menschen, der uns zur<br />

ausbildung anvertraut.<br />

REKTOR: sicher, aber wir wollen doch bitteschön die kirche im dorf lassen und den Josef<br />

Dschugschwili in jenem elenden elternhaus, aus dem er kommt.<br />

JOHANNES: ging's nach des Herrn Bergpredigt, müsste uns der geringste als der bedeutendste<br />

erscheinen.<br />

REKTOR: bleiben wir mit beiden füssen auf der erde! im übrigen, der eigene vater hat sohn Josef<br />

ja bereits zum halben krüppel geschlagen, geradeso als wollte er sagen, der sohn solle nicht allzuwichtig<br />

genommen werden.<br />

JOHANNES: gerade weil er's tat, der vater, kann der sohn einmal besonders wichtig werden.<br />

REKTOR: schon gut, schon gut - mich rufen wichtigere pflichten! der zarenhof wartet. (ab)<br />

1. AKT, 1. BILD, 4. szene<br />

(in der morgenfrüh; draussen nach halbdunkel. nach einer weile taucht Josef W. <strong>Stalin</strong> auf, im<br />

räuberkostüm, scheu um sich blickend. er ist dabei, mit einem satz ins nebenzimmer zu springen)<br />

REKTOR (eintretend): Josef Dschugaschwili, wie Sie mal wieder dahergeschlichen kommen - und<br />

das in aller HerrGottsfrüh!<br />

STALIN: geschlichen komm ich? nun gut, so schlecht es ist, es wird einem aufrechten menschen<br />

der aufrechte gang in einem priesterseminar wie dem hiesigen abgewöhnt.<br />

REKTOR.nicht unbedingt. auch wenn menschen sich zum gebet niederknien, können sie sich<br />

ebenso vom tiere unterscheiden wie mit ihrem aufrechten gang. - kommen wir zur sache. es kann<br />

nicht verborgenbleiben, wie Sie sich nachts aus dem seminar stehlen Seine geheimen zusammenkünfte<br />

mit eisenbahnarbeitern in Tiflis sind längst nicht mehr geheim.<br />

STALIN: für unterdrückte menschen einzustehen ist Kristenpflicht.<br />

REKTOR: gewiss, aber Kristus wollte keine politisierenden apostel. ein irdisch-politisches messiasreich<br />

lehnte er ab.<br />

STALIN: aber die nachfolger der apostel wollen sich bei den mächtigen politikern lieb kind machen,<br />

also politisiren. politik nein, ausgenommen die für den augenblick vorteilhafte, nicht wahr?<br />

REKTOR: famose politik, die uns da unterstellt wird. selbstredend müssen wir bestrebt sein,<br />

kristliche nächstenliebe ins praktische, also auch ins politische leben zu verflössen.

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