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genosse Lenins vermächtnis zu beherzigen, einen paradiesischen arbeiter- und bauernstand zu<br />
errichten.<br />
NADJA: Josef, es unterliegt für mich keinen zweifel, Du trauerst ehrlich um unseren verstorbenen<br />
Lenin - umso schlimmer finde ich es, wenn böswillige gerüchte kursiren<br />
STALIN: verleumdungen<br />
NADJA: der unart, Du hättest aus dem hinterhalt operirt und Lenin vergiftenlassen.<br />
JOHANNES: genährt werden solche gerüchte durch notizen, die der sterbende noch zu papir<br />
brachte<br />
NADJA: in der tat, ich war dabei, als er schrieb: "Trotzki sagen, allen sagen, ich bin vergiftet."<br />
JOHANNES: echte trauer, möglich, aber bisweilen weiss die rechte wirklich nicht, was die linke tut.<br />
STALIN: zumal nicht bei sterbenden. wir werden ja wohl wirre fieberfantasien eines sterbenden<br />
nicht für bare münze nehmen wollen.<br />
NADJA: kein wirklich rechtsstaatliches gericht würde solche anklage akzeptiren<br />
JOHANNES: kein gericht hienieden, würde solche unbeweisbare anklage akzeptiren - vorausgesetzt,<br />
es ist kein willkürgericht.<br />
STALIN: willkürgericht gibts in der Sowjetunion bekanntlich nicht.<br />
JOHANNES: kein gericht, das diesen namen verdient, würde solche anklage akzeptiren, endlich<br />
begrenzt wie unsere menschliche erkenntnis nun einmal ist.<br />
NADJA: hm, ich entsinne mich, der pope sagte früher im religionsunterricht: wo nachweisbare<br />
endlichkeit, gar solche in bedürftigkeit, da ist beweis für ewigkeit.<br />
JOHANNES: und wo nur endlich begrenztes gerichtswesen möglich, da fingerzeig auf die wirklichkeit<br />
eines absolutunendlichen gerichts, das für unsere ewigkeit entscheidend ist, unfehlbar sicher.<br />
NADJA: aber immerhin, können wir menschen auch nur begrenzt und fehlbar nach gerechtigkeit<br />
fahnden, streben können wir danach<br />
JOHANNES: und damit beweisen, wie es gerechtigkeit an sich schon gibt<br />
NADJA: daher wir solche ungerechten, weil verleumderischen gerüchte über meinen mann vor<br />
gericht bringen und belangenlassen müssten.<br />
STALIN: eigentlich ja<br />
NADJA: aber matematisch bündiger beweis fürs selbstverständliche, für Josefs unschuld, ist leider<br />
nicht zu erbringen.<br />
JOHANNES: vieles bleibt hienieden ungerecht, aber das bestreben nach ausgleichender gerechtigkeit<br />
NADJA: damit nach dem sinn des lebens<br />
JOHANNES: ganz recht, dieses alles lässt uns ein allwissendes gericht und einen entsprechend<br />
absolut unfehlbaren urteilsspruch im jenseits als vernünftig, weil glaubwürdig postuliren.<br />
STALIN: also langsam wird's mir zubunt, zutoll.<br />
NADJA: ja, armer Josef - aber Dein zukünftiges leben wird beweisen, wie unsubstantiirt diese