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DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher

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Deutung der Welt und des Lebens gern als eine primitive und unwissenschaftliche Deutung an.<br />

So schreibt Ludwig Feuerbach (+ 1872) im Jahre 1841 in seiner Schrift „Das Wesen des Christentums“,<br />

die Religion sei eine Durch-gangsphase für die Menschheit, sie sei als solche notwendig<br />

gewesen, damit die Menschheit zu einem erwachsenen Selbstbewusstsein hätte kommen<br />

können. Die religiöse Phase sei gleichsam die Kindheitsphase der Menschheit in ihrer Geschichte,<br />

und sie gehe der Phase der Philosophie voraus. Die religiöse Verfremdung habe zwar in der<br />

Entwicklung des menschlichen Bewusstseins ihre Bedeutung und eine gewisse Berechtigung,<br />

aber fortgeschrittener sei die Phase der Philosophie, denn in der Philosophie wage es der Mensch,<br />

sein Wesen direkt zu betrachten, während er dieses Wesen in der religiösen Phase als das Wesen<br />

eines anderen betrachte und kenne. Die Philosophie erkenne, dass das, was <strong>von</strong> der Religion als<br />

etwas Objektives betrachtet worden sei, in Wirklichkeit etwas Subjektives sei 31 .<br />

Man muss in diesem Zusammenhang wohl unterscheiden zwischen der Behauptung, die Gottesvorstellung<br />

sei als solche überholt, und der Behauptung, bestimmte Vorstellungen <strong>von</strong> Gott seien<br />

heute nicht mehr zu akzeptieren. Es ist denkbar, dass ein theoretischer Atheismus mit seiner<br />

Ablehnung Gottes eigentlich nur bestimmte Gottesvorstellungen meint, defiziente Gottesvorstellungen,<br />

ohne dass der, der sich als Atheist versteht, das erkennt, weil ihm etwa nicht in den Sinn<br />

kommt, dass die Gottesvorstellungen, die er ablehnt, am Wesen Gottes völlig vorbeigehen.<br />

Ein wenig anders als Ludwig Feuerbach sieht der Marxismus die Sache mit Gott, speziell Karl<br />

Marx (+ 1883). Für den Marxismus ist die Idee Gottes ein Ausdruck der Entfremdung des<br />

Menschen. Das heißt: In der Religion flieht der Mensch aus der schlechten, ja unerträglichen<br />

Wirklichkeit in ein Jenseits, in eine vorgestellte heile Welt. Das aber ist ein Selbstbetrug, der<br />

zudem <strong>von</strong> der notwendigen Veränderung der gegenwärtigen Verhältnisse ablenkt. Realistisch<br />

ist, so der Marxismus, angesichts dieser Situation allein die soziale Revolution. In ihr holt der<br />

Mensch das in der Gottesidee <strong>von</strong> sich weg Projizierte wieder in seine eigene Geschichte zurück<br />

32 .<br />

31 Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums, Leipzig 1841, 59-72; Theo C. de Kruijf u. a.,<br />

Zerbrochene Gottesbilder, Freiburg 1969, 97-100.<br />

32 Hans Jürgen Schultz, Hrsg., Wer ist das eigentlich - Gott?, München 1969, 60.

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