DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
58<br />
„Wo immer die Philosophen <strong>von</strong> Gott gesprochen haben, setzten sie voraus, dass der Gott der<br />
Religion ... und der Gott der Philosophie identisch sind, die Philosophie hat nie bezweifelt, dass<br />
Philosophie und Glaube dasselbe meinen, wenn sie >Gott= sagen, auch wenn sie nicht dasselbe<br />
über ihn sagen“ 81 . So betont der Philosoph Robert Spaemann in seinem Beitrag zu dem<br />
Sammelband „Wer ist das eigentlich - Gott?“ <strong>von</strong> Hans Jürgen Schultz im Jahre 1969.<br />
Die Skepsis des Protestantismus gegenüber der natürlichen Gotteslehre ist nicht ohne Einfluss<br />
auf die katholische Theologie geblieben. Die protestantische Theologie hat in der Bejahung der<br />
natürlichen Theologie immer wieder einen latenten Rationalismus erkennen wollen. Sie hat darin<br />
ein offenbarungswidriges Vertrauen auf die menschliche Vernunft gesehen, die ja, wie sie sagt,<br />
durch die Ursünde in ihrem tiefsten Wesen zerstört ist. Andererseits sah sie in der natürlichen<br />
Theologie immer eine Vermengung des offenbarungsfremden Hellenismus mit dem reinen<br />
Offenbarungswort des Alten und des Neuen Testamentes. Heute gilt die Skepsis gegenüber der<br />
philosophischen Theologie häufig auch für die katholische Theologie. Letztlich geht sie hervor<br />
aus einem verborgenen oder offenen Fideismus, der sich mehr und mehr auch des katholischen<br />
Denkens bemächtigt, oder sie führt hin zum Fideismus.<br />
Die entscheidende Wurzel der Skepsis gegenüber der natürlichen Gotteserkenntnis ist die Skepsis<br />
gegenüber der Vernunft, wie sie uns seit der Reformation begegnet, wenn man hier da<strong>von</strong><br />
ausgeht, dass der Intellekt und der Wille des Menschen nicht nur verwundet wurden durch die<br />
Ursünde, sondern in ihrer Natur zerstört wurden. Erinnert sei hier an die Schrift Luthers „Über<br />
den unfreien Willen“ - “De servo arbitrio“. Der reformatorischen Lehre <strong>von</strong> der Ursünde und<br />
ihren Folgen setzt das Konzil <strong>von</strong> Trient das „vulneratus in naturalibus“ als die überkommene<br />
Lehre der Mutterkirche entgegen: Die Natur des Menschen wurde nicht zerstört durch die Ursünde,<br />
wohl aber wurde sie geschwächt oder verwundet. Geschwächt oder verwundet wurde der<br />
Intellekt, geschwächt oder verwundet wurde aber auch der Wille.<br />
Weil wir nicht die Skepsis der Reformatoren gegenüber der Vernunft und ihrer Erkenntniskraft<br />
81 Hans Jürgen Schultz, Hrsg., Wer ist das eigentlich - Gott?, München 1969, 56 (Robert Spae-mann,<br />
Gesichtpunkte der Philosophie).