DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
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gedankens und der Gottesrealität jedoch verlieren, und zwar dann, wenn man sie bewusst unterdrückt<br />
oder ihr eine Zeitlang widersteht oder wenn man sie einfach nicht beachtet und an ihr<br />
vorbeilebt. In seiner Bekehrungsgeschichte „Credo - Mein Weg zu Gott“ schreibt der ehemalige<br />
SS-General Oswald Pohl: „Wenn man aber nicht mehr an Gott glaubt oder ihn zu einer Attrappe<br />
für den Sonntagsgebrauch degradiert, stumpft mangels Übung das Gehör für die Wahrnehmung<br />
dieser inneren Stimme ab, bis zuletzt überhaupt nichts mehr gehört wird“ 72 . Das ist hier wie beim<br />
Gewissen. Der Gottesgedanke kann verloren gehen, aber oftmals kehrt er dann wieder zurück.<br />
Deswegen wird die Gottesfrage immer wieder zu einer Herausforderung für den Menschen, da<br />
die Hinfälligkeit des <strong>von</strong> Glanz und Tragik erfüllten menschlichen Daseins immer neu zu den<br />
folgenden existentiellen Frage führt: Wohin gehe ich? Welchen Sinn hat mein Leben? Welchen<br />
Sinn haben Leiden und Tod? Ohne Gott verliert das Leben auf jeden Fall jeden umfassenden und<br />
bleibenden Sinn. Ohne Gott gibt es nur Sinninseln für den Menschen.<br />
Wenn die Begriffe „Religionslosigkeit“ und „Atheismus“ - auch das ist ein bemerkenswerter Gedanke<br />
- in den verschiedenen Sprachen als Negativformen erscheinen, ist das kein Zufall. Wir<br />
sprechen <strong>von</strong> „A-theismus“ und <strong>von</strong> „Gott-losigkeit“ und vom „Abfall“ <strong>von</strong> den Göttern oder<br />
vom „Abfall“ <strong>von</strong> Gott. Auch heute noch. In den Negativformen kommt zum Ausdruck, dass<br />
man es im Grunde genommen weiß oder dass man es immer gewusst hat, jedenfalls bisher, dass<br />
die Religion das Ursprünglichste und Selbstverständlichste im menschlichen Leben ist und dass<br />
sich die Religionslosigkeit deshalb als Abfall <strong>von</strong> der Religion darstellt und nur so zu definieren<br />
ist. Auch darauf ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen: Die Religion ist älter als jede<br />
geschichtliche Überlieferung 73 .<br />
Das muss jedoch noch nicht heißen, dass sie einen positiven Wert darstellt, denn es gibt ja auch<br />
falsche Traditionen, es ist ja denkbar, dass die Absage an die Religion einen Fortschritt innerhalb<br />
der Entwicklung des Menschen und der Menschheit darstellt. Diese Auffassung wird heute gestützt<br />
durch die Tatsache, dass es nicht mehr Einzelne sind, die sich <strong>von</strong> der Religion abwenden,<br />
sondern größere Teile der Menschheit. Sie wird indessen entkräftet durch die Tatsache, dass es<br />
72 Oswald Pohl, Credo - Mein Weg zu Gott, Landshut 1950).<br />
73 Hugo Staudinger, Gott: Fehlanzeige? Überlegungen eines Historikers zu Grenzfragen seiner Wissenschaft,<br />
Trier 1968, 65.