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DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher

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Im Marxismus wird Gott konsequent funktionalisiert. Für den Marxismus gibt es nicht Gott,<br />

wohl aber den Menschen, der Gott braucht - aus welchen Gründen auch immer -, anders ausgedrückt:<br />

für ihn gibt es nicht Gott, sondern den Menschen, der meint, er habe Gott nötig. In diesem<br />

Verständnis ist Gott eine schöne Illusion, mit der man leben kann, in der man aber nicht der<br />

Wahrheit gemäß lebt. Man kann so leben, aber eigentlich ist das unsinnig. Richtiger ist es, den<br />

Unsinn des Gott-Brauchens zu beenden und dem Menschen das zukommen zulassen, wofür Gott<br />

nur einen Ersatz darstellt 33 .<br />

In diesem Gottesverständnis betrachtet man Gott als so etwas wie ein Scheinmedikament, wie<br />

ein Placebo. Scheinmedikamente, Placebos, wirken nur dann, wenn der Patient nicht um die<br />

Täuschung weiß, die diese Medikamente darstellen. Ein Placebo ist nur eingebildet oder vorgestellt<br />

wirksam. Ein Placebo kann nur so lange eingenommen werden und wirken, wie seine<br />

eingebildete Wirksamkeit nicht durchschaut wird. Es kann nur wirken, solange der Patient <strong>von</strong><br />

der objektiven Wirksamkeit des Mittels, die es jedoch objektiv nicht gibt, überzeugt ist. Gott<br />

wird in diesem Sinne als Placebo interpretiert. Das heißt: Er behält einen Platz im Leben der<br />

Menschen, so lange diese nicht seine Funktion für sie durchschauen, nämlich die, das minimale<br />

Emotionsquantum in ihrem Leben sicherzustellen. Wann immer der Mensch das jedoch erkennt,<br />

wird Gott für ihn überflüssig, dann aber braucht er einen Ersatz für ihn 34 .<br />

Faktisch sehen heute viele im Theismus und in der Religion nichts anderes als eine Sinngebung<br />

des Sinnlosen, als eine Reaktion auf die Erfahrung der Sinnlosigkeit, die aber ohne jedes „fundamentum<br />

in re” ist.<br />

In den Medien findet sich gegenwärtig vielfach zumindest die Tendenz zu konstatieren, wenn es<br />

nicht gar offen ausgesprochen wird, dass die Anerkennung oder die religiöse Verehrung Gottes<br />

33 Vgl. Paul Josef Cordes, Gottesbegegnung durch Psychotechnik. Zum Emotionsmoment im Glaubensvollzug,<br />

in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 7, 1978, 181.<br />

34 In den „Geschichten des Herrn Keuner“ <strong>von</strong> Bert Brecht heißt es einmal: „Einer fragte Herrn Keuner ob<br />

es einen Gott gebe. Herr Keuner sagte: Ich rate dir nachzudenken darüber, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf<br />

diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. Würde es sich<br />

ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden;<br />

du brauchst einen Gott“ (vgl. Paul Josef Cordes, Gottesbegegnung durch Psychotechnik. Zum Emotionsmoment im<br />

Glau-bensvollzug, in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 7, 1978, 181).

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