DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
66<br />
Der Trend zum Fideismus, wie er deutlich wird vor allem in der Skepsis gegenüber der natürlichen<br />
Gotteserkenntnis und gegenüber dem Weg zum Gott der Offenbarung über den Gott der<br />
Philosophen, ist heute nach wie vor dominant, auch innerhalb der katholischen Theologie, speziell<br />
in der Gestalt, dass man den trinitarischen Gott der Offenbarung gegen den monotheistischen<br />
Gott der Philosophen ausspielt und dabei das Dogma vom dreifaltigen Gott gewissermaßen<br />
überakzentuiert.<br />
Um noch einmal Henri de Lubac zu zitieren. Er erklärt: „Worauf sollte eine solche Beweisbarkeit<br />
gründen, wenn nicht, wie jede Beweisbarkeit, in einer allgemeinen Gewissheit derselben<br />
Ordnung? Nun ist Gott einzig in seiner Ordnung …“ 90 .<br />
12. Gott als irrationales Erlebnis.<br />
Ein latenter Fideismus verdrängt heute in der katholischen Theologie vielfach die Wertschätzung<br />
der „ratio“. Das ist unverkennbar. Man gibt der Auseinandersetzung mit dem Atheismus auf der<br />
Basis der Vernunft weithin keine Chance mehr und übernimmt damit protestantische Positionen,<br />
die freilich heute teilweise innerhalb der protestantischen Theologie schon wieder überwunden<br />
sind. Wenn es keine Auseinandersetzung mit dem Atheismus auf dem Fundament der „ratio“<br />
gibt, dann ist jeder prinzipiellen Auseinandersetzung mit ihm der Weg abgeschnitten. Dann kann<br />
man nur noch rein pragmatisch argumentieren, nicht mehr prinzipiell 91 .<br />
Die Zeitung „Die Welt“ berichtete kürzlich über eine Talkshow im Zweiten Deutschen Fernsehen,<br />
in der es um das Buch „Der Gotteswahn“ <strong>von</strong> dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins 92<br />
ging. Mit dem Autor diskutierten in jener Sendung der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche<br />
Deutschlands Wolfgang Huber, der CDU-Politiker Heiner Geissler und der Weihbischof <strong>von</strong><br />
Hamburg Hans-Joachim Jaschke. Der Letztere wandte gegenüber Dawkins ein, das Christentum<br />
gebe mit seinem Theismus eine Antwort auf die Fragen: Warum lebe ich? Warum liebe ich?<br />
Warum leide ich? Huber meinte: Ohne das Christentum kann man die Liebe nicht verstehen. Und<br />
90 Henri de Lubac, Vom Erkennen Gottes, Freiburg 1941, 29.<br />
91 Vgl. Publik-Forum 4, 1982 (Streitgespräch: Weger - Eicher).<br />
92 Berlin 2007 („The God Delusion“).