DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
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kenntnis. Dabei muss man freilich <strong>von</strong> der modernen Philosophie absehen, etwa seit der Aufklärung.<br />
Von da an ist das anders.<br />
Der Gedanke, dass die Religion und ihr Subjekt Gott zum Menschsein des Menschen gehören,<br />
tritt sehr stark hervor in der Stoa. Mit großem Nachdruck hat sie die innere Ungereimtheit des<br />
vordergründig vertretenen Atheismus hervorgehoben und den Gedanken der Allgemeinheit der<br />
Gottesvorstellung betont. Man bezeichnet hier Gott oder das Absolute vor allem als eine<br />
„communis animi conceptio“. Daraus hat man den den historischen Gottesbeweis entwickelt, der<br />
bereits wiederholt anklang.<br />
Der Stoiker Seneca (+ ca. 65 n. Chr.), der Lehrer Neros - er ist ein Vertreter der späten Stoa -<br />
betont, dass der Mensch sich dem Gottesgedanken vor allem nicht entziehen kann, wenn er still<br />
wird oder allein ist. Ich zitierte diesen Gedanken bereits bei Aldous Huxley. Seneca erklärt in<br />
einem seiner Briefe: „Allen Menschen ist der Glaube an die Götter ins Herz gesät. Es lügen jene,<br />
die das sagen, dass sie nicht an Gott glauben; denn wenn sie es dir auch bei Tage versichern: in<br />
der Nacht oder wenn sie allein sind, zweifeln sie“ 61 . Ähnlich hatte sich bereits Aristoteles (+ 322<br />
v. Chr.) geäußert in seinem Buch „De coelo“ 62 .<br />
Plinius der Jüngere, der <strong>von</strong> 111-113 n. Chr. Statthalter des römischen Kaisers Trajan in Bithynien<br />
war, <strong>von</strong> dem der sogenannte Christenbrief stammt, der eine wichtige Rolle spielt im<br />
Rahmen der nichtchristlichen Zeugnisse des Christentums in ältester Zeit, hat im Geist der Stoa<br />
in einem seiner Briefe geschrieben - es gibt neun Bücher literarisch stilisierter Briefe <strong>von</strong> ihm - :<br />
„Beim Herannahen des Todes erinnert der Sterbende sich, dass er Mensch ist und dass es Götter<br />
gibt“ 63 .<br />
Die Geschichte der Philosophie ist weithin auch eine Geschichte der Gottesfrage. Aber nicht nur<br />
in der Philosophie stößt man immer wieder auf die Gottesfrage, noch mehr ist sie wirksam in den<br />
61 Seneca, Epistula 117.<br />
62 Aristoteles, De coelo I, 3.<br />
63 Vgl. Franz Hettinger, Apologie des Christentums I, 1, Freiburg 1875, 113.