DIE GOTTESFRAGE HEUTE - von Prof. Dr. Joseph Schumacher
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Die protestantische Theologie hat in der natürlichen Theologie schon immer so etwas wie einen<br />
verborgenen Rationalismus gesehen, gegründet auf einem angeblich offenbarungswidrigen Vertrauen<br />
auf die menschliche Vernunft, die ja, wie man sagt, durch die Ursünde in ihrem tiefsten<br />
Wesen zerstört ist. Andererseits hat man darin auch eine Vermengung des offenbarungsfremden<br />
Hellenismus mit dem reinen Offenbarungswort sehen wollen. Wenn man solche Gedanken heute<br />
auch bei katholischen Theologen immer wieder lesen kann, müssen sie als Anleihe aus dem<br />
Protestantismus verstanden werden<br />
Mit der Ablehnung der natürlichen Gotteserkenntnis oder der Skepsis ihr gegenüber verbindet<br />
sich vor allem immer wieder die Polemik gegenüber dem Hellenismus im Christentum. Jürgen<br />
Moltmann, in der Gegenwart ein Exponent protestantischer Theologie - bis zu seiner Emeritierung<br />
lehrte er systematische Theologie in Tübingen -, erklärt, das Christentum sei schon früh aus<br />
dem Bannkreis des Alten Testamentes ausgezogen und habe sich mit den Mitteln griechischer<br />
Religion und griechisch-römischer Philosophie als neue Weltreligion installiert. An die Stelle des<br />
Gottes des Alten Testamentes sei das Gottesbild der hellenistischen Antike getreten. Während<br />
der Gott des Alten Testamentes der Gott der Geschichte und der geschichtlichen Zukunftshoffnung<br />
sei, sei der Gott der griechischen Philosophie ein zeitlos-ewiges höchstes Wesen, unerschüttert<br />
durch irdische Geschicke, unbehelligt durch irdische Leiden. Moltmann meint, in der<br />
Gegenwart gehe diese griechisch geprägte Form des Christentums zu Ende, derweil man seit drei<br />
Jahrzehnten wieder die bleibende und zukunftsweisende Bedeutung des Alten Testamentes für<br />
den christlichen Glauben entdecke. Man erkenne so, dass der Gott Jesu Christi nur wenig mit<br />
dem höchsten Sein und dem unbewegten Beweger der griechischen Philosophie zu tun habe 83 .<br />
Mit solchen Gedanken findet Moltmann nicht wenig Zustimmung, wenngleich sie schon in ihrer<br />
Schematisierung nicht überzeugend sind. Zudem gibt es sicher schon im Alten Testament, nicht<br />
erst im Neuen, griechische Gedanken, die aber als solche ebenso Offenbarungscharakter haben<br />
wie die semitischen oder jüdischen Gedanken, ganz abgesehen da<strong>von</strong>, dass eine Scheidung<br />
zwischen hellenistisch und semitisch oder jüdisch weithin nicht möglich ist. Das gilt für das<br />
83<br />
Norbert Kutschki, Hrsg., Gott heute. Fünfzehn Beiträge zur Gottesfrage, Mainz 1967, 118 - 124 (Jürgen<br />
Moltmann, Der Gott der Hoffnung).