Unternehmerisch und verantwortlich wirken - Institut für ökologische ...
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SOZIALE VERANTWORTUNG IN DER ZULIEFERKETTE | 131<br />
Folgerichtig nahm ich die Gelegenheit wahr, über einen Zeitraum von mehreren Monaten als teilnehmende<br />
Beobachterin in der CSR-Abteilung eines großen Handelsunternehmens mitzuarbeiten<br />
<strong>und</strong> dort immer wieder informelle Gespräche mit den Mitarbeiter/innen zu führen, bei denen ich<br />
sehr viel über ihre Arbeitsumstände <strong>und</strong> -prämissen lernen konnte. Der in den 1990er Jahren entwickelte<br />
ethnologische Feldforschungsansatz einer Multi-Sited Ethnography (Marcus 1995) ist der<br />
Einsicht geschuldet, dass es bei der Untersuchung globaler Phänomene notwendig ist, an mehreren<br />
Orten zu forschen, um transnationale soziale Prozesse adäquat analysieren zu können. Daher<br />
habe ich auch insgesamt zwei Mal <strong>für</strong> jeweils einige Wochen in einem Land des globalen Südens<br />
geforscht, in dem <strong>für</strong> das von mir untersuchte Handelsunternehmen XY vor allem Textilien eingekauft<br />
werden. Gleichzeitig muss auch berücksichtigt werden, dass Akteure verschiedener Ebenen<br />
(zum Beispiel in der Unternehmenshierarchie) unterschiedliche Ideen, Werte <strong>und</strong> Handlungsanreize<br />
haben können. Daher bemühte ich mich, sowohl im In- als auch im Ausland mit Mitarbeiter/innen<br />
aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen (Einkauf, Marketing, CSR etc.) <strong>und</strong> Hierarchieebenen<br />
ins Gespräch zu kommen. Zusätzlich führte ich auch informelle Gespräche <strong>und</strong> Interviews<br />
mit Mitarbeiter/innen aus anderen Unternehmen, Zulieferbetrieben, Gewerkschaften, sozialen<br />
Initiativen <strong>und</strong> NGOs (non-governmental organisations = Nichtregierungsorganisationen).<br />
Die anfängliche Fragestellung der vorliegenden Arbeit war sehr breit <strong>und</strong> allgemein gefasst, was ihrem<br />
explorativen Charakter geschuldet ist, liegen doch, wie erwähnt, noch keine auf Feldforschung<br />
beruhenden Studien in diesem Feld vor. Die Leitfragen lauteten: „Wie wird CSR in einem Handelsunternehmen<br />
umgesetzt? Welches sind die Beweggründe? Wo sind Hindernisse? Erst im Laufe<br />
der Forschung kristallisierte sich heraus, welche Themen sinnvoll bearbeitet werden konnten. Besonders<br />
interessierte mich das Verhältnis zwischen den offiziell propagierten Werten, praktischen<br />
Richtlinien, der Unternehmenskultur <strong>und</strong> den individuellen ethischen Entscheidungen der Manager/innen.<br />
Ziel war es, ganz allgemein formuliert, durch die Untersuchung der vom Unternehmen<br />
behandelten Themen im Bereich Nachhaltigkeit herauszufinden, wie die Umsetzung von Unternehmensverantwortung<br />
in der Praxis aussieht <strong>und</strong> wo die treibenden Kräfte („Mover“) des Themas<br />
Nachhaltigkeit in <strong>und</strong> außerhalb von Unternehmen zu verorten sind. Im Laufe der Untersuchung<br />
rückte dabei das Thema der sozialen Verantwortung in der Zulieferkette ins Zentrum der Aufmerksamkeit.<br />
Dem vorliegenden Beitrag steht keine Definition <strong>für</strong> CSR voran. Stattdessen wird untersucht, was<br />
die Akteure selbst darunter verstehen, wie sie dies umsetzen <strong>und</strong> welche Probleme sie wahrnehmen.<br />
Die Arbeit beruht dabei auf dem Gr<strong>und</strong>gedanken konstruktivistischer Ansätze: Die Realität<br />
wird sozial konstruiert, kognitive Strukturen geben der materiellen Welt ihre Bedeutung (Adler<br />
1997: 319), oder anders ausgedrückt: Tatsachen werden erst durch Interpretation <strong>und</strong> soziale Interaktion<br />
(z. B. in der Form der Kommunikation) bedeutsam. Daher fokussiere ich auf die Gedanken<br />
der unternehmensinternen Hauptakteure auf dem Feld der CSR <strong>und</strong> kontextualisiere ihre Interpretationen,<br />
um zu einer adäquaten Gesamteinschätzung zu gelangen.<br />
Über Manager/innen selbst <strong>und</strong> insbesondere deren individuelle Abwägungs- <strong>und</strong> Entscheidungsstrategien<br />
in ihrer Arbeit gibt es nur wenige aufschlussreiche Studien. Michael Hartmann (1996) hat<br />
in diversen Veröffentlichungen nahegelegt, dass <strong>für</strong> den beruflichen Aufstieg in die Ränge der Elite<br />
in Deutschland der Habitus wichtiger ist als der Bildungsstand. Naresh Agarwal, O.P. Dhingra <strong>und</strong><br />
George England betonten darüber hinaus schon Anfang der 70er Jahre, wie wichtig es ist, die persönlichen<br />
Werte von Manager/innen zu verstehen: „The significance of investigating personal values<br />
can be seen when one considers the following reasonable assertions and their implications.<br />
(...) 4. Personal value systems set the limits for the determination of what is and what is not ethical<br />
behavior by a manager. 5. Personal value systems influence the extent to which a manager will accept<br />
or will resist organizational pressures and goals“ (1974: 1f.). Für das handlungsleitende Wer-