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Unternehmerisch und verantwortlich wirken - Institut für ökologische ...

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SOZIALE VERANTWORTUNG IN DER ZULIEFERKETTE | 135<br />

Sehr wichtig ist die Beobachtung, dass die Arbeitsbedingungen in den Fabriken stark variieren; es<br />

gibt kleine Produktionsstätten in Hinterhöfen oder Kellern mit sehr jungen Arbeiter/innen, schlechter<br />

Beleuchtung, lärmenden Lüftungsanlagen, verschmutzten Trinkwasserbehältern <strong>und</strong> großer<br />

Unordnung auf der einen Seite, sowie große, professionelle, saubere <strong>und</strong> eindrucksvolle Fabriken<br />

auf der anderen Seite. Eine von mir besuchte Produktionsstätte hatte sogar einen eigenen Kindergarten,<br />

einen Wohnblock (den ich nicht besichtigen konnte) <strong>und</strong> eine Krankenstation sowie grüne<br />

Parkanlagen zwischen den Produktionseinheiten. Letztere Fabriken nehmen allerdings auch höhere<br />

Preise: Nach Angaben meiner Interviewpartner/innen sind sie im Schnitt um 20 Prozent teurer<br />

als die günstigen Anbieter.<br />

Der Geschäftsführer einer unabhängigen Einkaufsagentur erklärte mir die „Hierarchie der Sozialstandards“<br />

wie folgt. Auf der untersten Stufe stünden die Buyer, die sehr billig einkaufen wollten,<br />

häufig Discounter. Unter ihnen gebe es einige, die gefälschte Zertifizierungen kauften bzw. (wissentlich)<br />

akzeptierten. Auf der nächsten Stufe stünden Unternehmen, die von Fabriken kauften, die<br />

bisher noch nicht zertifiziert seien <strong>und</strong> diesen Fabriken dabei helfen würden, sich auf die Zertifizierung<br />

vorzubereiten. Sobald sie die Zertifizierung erlangt hätten, arbeiteten die Fabriken dann allerdings<br />

mit Buyern, die etwas mehr bezahlten <strong>und</strong> darauf bestünden, dass die <strong>für</strong> sie produzierenden<br />

Fabriken bereits Zertifikate vorweisen könnten. Am oberen Ende stünden Markenfirmen <strong>und</strong> Handelsunternehmen,<br />

welche große Mengen auf einmal einkauften. Diese kauften bei den professionell<br />

organisierten Fabriken. Von anderen Interviewpartner/innen hörte ich, dass die Stringenz, mit<br />

der Buyer auf die Einhaltung von Sozialstandards achten, mit ihrer nationalen Herkunft in Zusammenhang<br />

stünde. Skandinavische, amerikanische <strong>und</strong> englische Buyer wurden als am strengsten<br />

eingestuft.<br />

Unabhängig davon, ob diese groben Kategorisierungen jedem Einzelfall gerecht werden können –<br />

was ich bezweifele - , lässt sich daraus doch schließen, dass die Sozialstandards in den Produktionsstätten<br />

durchaus im Zusammenhang mit der Einkaufspraxis der Buyer stehen <strong>und</strong> diese deshalb<br />

auch mit zur Verantwortung gezogen werden können. Buyer, die nur kleine Mengen kaufen,<br />

können zwar eine unabhängige Produktionsstätte kaum dazu zwingen, ihre Sozialstandards zu<br />

verbessern, es steht ihnen aber durchaus frei, in einer besseren Fabrik einzukaufen. Dies kann allerdings,<br />

wie oben beschrieben, mit Mehrkosten – laut Interviewpartner/innen von bis zu 20 Prozent<br />

– verb<strong>und</strong>en sein. Auch wenn Mehrkosten in dieser Höhe gering erscheinen mögen, muss natürlich<br />

auch bedacht werden, dass diese sich durch die Lieferkette noch erhöhen (zum Beispiel ist<br />

dann auch die Versicherung <strong>für</strong> den Transport teurer, <strong>und</strong> es müssen mehr Steuern gezahlt werden<br />

etc.) <strong>und</strong> die Margen häufig ohnehin schon sehr niedrig sind, so dass <strong>für</strong> Unternehmen am<br />

Massenmarkt häufig kein großer Spielraum ist, zumindest nicht <strong>für</strong> ein kostspieliges freiwilliges Engagement,<br />

welches deutlich über das der Wettbewerber hinausgeht. Andererseits stellt sich hier<br />

natürlich auch die Frage nach der Kostenverteilung bei den Buyern selbst: wie viel Kosten verursachen<br />

die Arbeiter/innen am Anfang der Produktionskette, wie viel die Mitarbeiter/innen im Handelsunternehmen,<br />

wie viel der Vorstand, wie viel die Designer/innen, die Werbeabteilung etc. Unabhängig<br />

davon, ob es sich beim Buyer daher um ein sozial mehr oder weniger ambitioniertes Unternehmen<br />

handelt, geht es hierbei also auch um klassische Verteilungsfragen.<br />

Gleichzeitig darf man nicht unterschätzen, wie schwierig es sein kann, in die Prozesse der eigenständigen<br />

Zulieferfirmen vor Ort einzugreifen <strong>und</strong> dort ein Bewusstsein da<strong>für</strong> zu schaffen, dass die<br />

vor Ort üblichen Arbeitspraxen im globalen Norden nicht als akzeptabel eingestuft werden. Nicht<br />

selten entwickeln lokale Eliten wie die Unternehmenseigentümer Gegenstrategien, die beispielsweise<br />

Verzögerungstaktiken, <strong>und</strong> in gravierenderen Fällen Täuschung sowie das Fehlen oder Fälschen<br />

von Unterlagen beinhalten können. Auch die Zusammenarbeit mit Subunternehmern ist

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