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Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR ... - gulag

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vom 18. August 1945 und weiteren Verfügungen des Rates <strong>der</strong> Volkskommissare <strong>der</strong> <strong>UdSSR</strong><br />

wurden viele von ihnen für sechs Jahre <strong>in</strong> Son<strong>der</strong>siedlungen verbannt 185 .<br />

Die Wirtschaftslage <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion 1945-1946 beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te ebenfalls die Ausweitung <strong>der</strong><br />

Haftanstalten und die Steigerung <strong>der</strong> Produktionskapazität. Wie bereits erläutert, war die<br />

wichtigste Wirtschaftsnische <strong>der</strong> Lager die schnelle Durchführung von großen<br />

Investitionsprojekten <strong>in</strong> Regionen mit unzureichend entwickelter Infrastruktur, <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht ökonomischer, son<strong>der</strong>n militärstrategischer o<strong>der</strong> politischer Natur war o<strong>der</strong><br />

bei <strong>der</strong>en Durchführung hauptsächlich unqualifizierte Arbeitskräfte benötigt wurden. Da die<br />

nötigen Mittel fehlten, konnte <strong>der</strong> Staat ähnliche Projekte nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen <strong>in</strong>itiieren.<br />

Zweifellos bestand die vordr<strong>in</strong>glichste Aufgabe des Staates im Wie<strong>der</strong>aufbau e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>imalen<br />

Versorgungssystems und <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichzeitigen Wie<strong>der</strong>belebung von Industrie und Landwirtschaft<br />

<strong>in</strong> den vormals okkupierten Gebieten, alle<strong>in</strong> schon aus dem Grund, weil diese Gebiete die<br />

potentiell wichtigste Grundlage <strong>der</strong> landwirtschaftlichen und (teilweise) <strong>in</strong>dustriellen Produktion<br />

des Landes bildeten. Diese früher am dichtesten besiedelten Regionen, <strong>in</strong> denen durch die totalen<br />

Zerstörungen und immensen Menschenverluste die Arbeitskräfte äußerst rar geworden waren,<br />

konnten nicht wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorkriegszeit die "Geberregionen" für den Lager- und Industriekomplex<br />

se<strong>in</strong>. Im Gegenteil: die Behörden mussten Arbeiter aus an<strong>der</strong>en Regionen anwerben. Beispielhaft<br />

sei das Schicksal <strong>der</strong> repatriierten Ingermanlän<strong>der</strong> erwähnt, denen Ende 1944 / Anfang 1945 nach<br />

ihrer Rückkehr aus F<strong>in</strong>nland <strong>in</strong> die Sowjetunion die Ansiedlung <strong>in</strong> den Heimatorten (Gebiet<br />

Len<strong>in</strong>grad und <strong>in</strong> Karelien) nicht mehr gestattet wurde, die sich jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> "Nachbarschaft"<br />

nie<strong>der</strong>lassen durften, vor allem <strong>in</strong> den vom Krieg am stärksten betroffenen Gebieten Welikije<br />

Luki, Kal<strong>in</strong><strong>in</strong>, Nowgorod und Pskow 186 .<br />

Die aufgezählten Faktoren dienen nach Ansicht <strong>der</strong> Autoren als erste Annäherung, um die Lage<br />

<strong>der</strong> Haftanstalten und die Häftl<strong>in</strong>gszahlen von 1944 bis 1946 (Abb. 2) zu erklären. <strong>Das</strong> schnelle<br />

Wachstum <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte 1944, das hauptsächlich durch e<strong>in</strong>e Zunahme <strong>der</strong><br />

Gefangenen <strong>in</strong> den Haftanstalten <strong>der</strong> Territorialorgane bed<strong>in</strong>gt war, wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten<br />

Jahreshälfte 1945 von e<strong>in</strong>er relativen Stabilisierung abgelöst. Darauf folgte im Sommer 1945 die<br />

Amnestie, die neben dem offensichtlichen politischen Effekt e<strong>in</strong>e Ressourcenfreisetzung bereits<br />

im August/September ermöglichte, als <strong>der</strong> Strom <strong>der</strong> Kriegsgefangenen und Heimkehrer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

zweiten Hälfte 1945 se<strong>in</strong>en Höhepunkt erreichte. Danach wurden die meisten Verurteilten <strong>in</strong> die<br />

Haftanstalten <strong>der</strong> Territorialorgane verbracht. Wegen ihrer ausreichenden Mobilität konnten sie<br />

situativ und "punktgenau" e<strong>in</strong>gesetzt werden und führten sowohl Arbeiten vor Ort als auch<br />

kle<strong>in</strong>ere, aber wichtige Aufträge höherer (bis h<strong>in</strong> zu Regierungs-)Instanzen aus. Die<br />

Insassenzahlen <strong>in</strong> den ITL blieben jedoch bis Mitte 1946 unverän<strong>der</strong>t, sodass für die Dauer von<br />

zwanzig Jahren die Zeit von Mitte 1946 bis Anfang 1947 die e<strong>in</strong>zige Epoche war, als <strong>in</strong> den<br />

Haftanstalten <strong>der</strong> Territorialorgane wesentlich mehr Personen <strong>in</strong>haftiert waren als <strong>in</strong> den Lagern.<br />

Dabei gehörten per 1. Juli 1946 von 806.193 Häftl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> den UITLK-OITK 506.289 zum<br />

"Lagerkont<strong>in</strong>gent" (d. h. sie hatten e<strong>in</strong> Strafmaß von mehr als drei Jahren Freiheitsentzug, und sie<br />

mussten ihre Haft <strong>in</strong> Lagerunterabteilungen verbüßen), während die Gesamtzahl <strong>der</strong> Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />

den Lagern unter zentraler Leitung (Häftl<strong>in</strong>ge auf Transport e<strong>in</strong>gerechnet) zu diesem Zeitpunkt<br />

660.135 betrug 187 . Somit waren die Haftanstalten <strong>in</strong> <strong>der</strong> UITLK-OITK im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>e wichtige<br />

185 P. M. Poljan: Žertvy dvuch diktatur: Ostarbaitery i voennoplennye v Tret'em Reiche i ich repratriacija [Opfer<br />

zweier Diktaturen: Ostarbeiter und Kriegsgefangene im Dritten Reich und ihre Rückführung <strong>in</strong> die Heimat],<br />

Moskau1996. S. 302.<br />

186 Ebenda. S. 222.<br />

187 GARF. F. 9414. Op. 1. D. 1259. L. 9.<br />

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