Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR ... - gulag

* * *
Die Analyse der Entwicklung des Systems der Haftanstalten gestattet nach Auffassung der
Autoren, seine Geschichte in mehrere Abschnitte einzuteilen.
1918-1922: "die Zeit des Bürgerkriegs", die gekennzeichnet ist von organisatorischem Chaos und
dem erbitterten Kampf mehrerer Behörden um die Führung über die Haftanstalten angesichts
einer allgemein schwachen Staatsmacht, fehlender Organisation in Wirtschaft und
Transportwesen, Hungersnot und massenhafter Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit wurden erste
Versuche unternommen, grundlegende Verordnungen des sowjetischen Strafvollzugs zu
formulieren. Für die weitere Entwicklung des Systems wurde die Wirtschaftlichkeit der
Haftanstalten zur wichtigsten Richtlinie.
1923-1929 kann man mit Einschränkungen als die Zeit der "republikanischen GUMS"
bezeichnen, da sie fast sämtliche Haftanstalten im Land leiteten. Den Auftakt bildeten die
Verfügung des Rates der Volkskommissare der RSFSR vom 25. Juli 1922 und die gemeinsame
Verfügung des Volkskommissariat für Justiz und des Volkskommissariats für Innere
Angelegenheiten der RSFSR vom 12. Oktober 1922, wonach alle Haftanstalten der RSFSR unter
die Leitung der Hauptverwaltung für Haftanstalten (GUMS) des NKWD der RSFSR gestellt
wurden. Diese GUMS war aus der Zentralen Besserungsarbeitsabteilung des NKJu
hervorgegangen und führte zur Auflösung der Hauptverwaltung für Zwangsarbeiten des NKWD
der RSFSR sowie ihrer Zwangsarbeitslager. Kennzeichnend für diese Epoche ist die relativ
dezentralisierte Organisationsstruktur des Systems der Haftanstalten, während die grundlegenden
Leitungsfunktionen sowie die materielle Versorgung den lokalen Organen übertragen wurden. Es
wird der (misslungene) Versuch unternommen, gleichzeitig zwei Aufgaben zu lösen: dem
Großteil der Häftlinge jene Arbeitsfertigkeiten zu vermitteln, die ihnen nach ihrer Entlassung
zunutze sein könnten, und durch produktive Arbeit der Häftlinge die Wirtschaftlichkeit der
Haftanstalten zu erreichen. Von Zeit zu Zeit werden Bemühungen unternommen, die Zahl der
Gefangenen zu reduzieren. Das geschieht vor dem Hintergrund einer weiterhin bestehenden
Arbeitslosigkeit und einer relativen wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Wirtschaftsakteure.
Parallel dazu erstarkt unter der Ägide der OGPU der Keim des Lagersystems – das
SOLOWEZKI-ITL.
1930-1940: - "die Epoche des GULAG", die mit der Verfügung des Rates der Volkskommissare
der UdSSR vom 11. Juli 1929 "Über den Arbeitseinsatz krimineller Häftlinge" und der darauf
folgenden Organisation erster ITL eingeleitet wird. Es ist die Entstehungs- und Expansionszeit
des Lagersystems, als große Lager das Hauptelement der allgemeinen Organisationsstruktur der
Haftanstalten werden. Die Häftlinge werden als strategische Arbeitskraftquelle und die OGPU-
NKWD als wichtigstes Wirtschafts- und Volkskommissariat angesehen, das wichtige staatliche
Produktionsprojekte realisiert. Hauptaufgabe ist es, den maximalen Nutzen durch Häftlingsarbeit
zu erhalten. Eine kontinuierliche Zentralisierung der Führung des Vollzugssystems findet statt,
sodass diese Epoche in zwei Abschnitte zerfällt, deren Zäsur im Herbst 1934 die Zeit der
Konzentration sämtlicher Haftanstalten unter der Ägide der Hauptverwaltung der Lager
(GULAG) bildet. Kennzeichnend für diese Zeit ist die aktive Suche nach Möglichkeiten der
Zusammenarbeit zwischen dem Lager- und Produktionssektor. Die Entwicklung des
Vollzugsystems vollzieht sich unter den Bedingungen einer entstehenden zentralisierten
Planwirtschaft, eines immer härteren Kampfes in den obersten Machtkreisen sowie regelmäßiger
Massenverfolgungen (Kollektivierung, Massendeportationen 1937-1938).
68