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Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft

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Margret Kaiser-el-Safti 16<br />

Intervalle. Hume erklärt die Fiktion, die es unserer Phantasie erlaube, über das<br />

Wirkliche hinaus vorzustellen oder zu denken, das heißt in der einmal<br />

eingeschlagen Richtung fortzufahren, als eine natürliche Eigenschaft unserer<br />

geistigen Aktivität. Es lohnt sich, den ganzen Passus zu zitieren, weil er in einer<br />

Weise die Grenze zwischen Empirie und Apriorismus markiert, die für Herbarts<br />

Verständnis von Ästhetik und Ethik relevant ist:<br />

Ein Musiker, der findet, dass sein Gehör jeden Tag feiner wird, und dem es<br />

gelingt, sich selbst durch Nachdenken und Aufmerksamkeit zu korrigieren, führt<br />

in Gedanken einen psychischen Prozeß weiter, auch wenn sein Gegenstand ihn im<br />

Stiche läßt; er gewinnt so schließlich den Begriff einer vollkommenen Terz und<br />

Oktave, ohne daß er imstande wäre, zu sagen, woher er den Maßstab dafür nimmt.<br />

Dieselbe Fiktion vollzieht der Maler in bezug auf Farben, der Mechaniker in<br />

bezug auf Bewegungen. (1748/I973, I. Buch, S. 68)<br />

Wenn Herbart denselben Tatbestand des vollendeten Vorstellens durch die<br />

Phantasie, die konsonanten Intervalle betreffend, auf eine Ebene mit Kants<br />

„synthetischen Urteilen a priori“ platzierte, darf dieser Vergleich nicht wörtlich<br />

genommen (Herbart war ein Gegner erfahrungsvorgängiger Postulate) und muss<br />

als der Versuch gewertet werden, der Bedeutung der konsonanten Intervalle und<br />

Akkorde nicht nur für das gesamte europäische Musiksystem, sondern als<br />

paradigmatische Gesetzesgrundlage dem Ästhetischen und Psychologischen<br />

schlechthin Nachdruck zu verleihen.<br />

Nur die Musik, keine andere Kunst, liefert laut Herbart überhaupt ästhetische<br />

Gesetzmäßigkeiten, die jedoch infolge der philosophisch notorischen Unterschätzung<br />

der Musik nicht anerkannt werden:<br />

Leider sind genau bestimmte ästhetische Urtheile unsern Aesthetikern so neu und<br />

fremd, daß sie an die Möglichkeit derselben nicht glauben wollen; daß sie nicht<br />

begreifen, wie der ästhetische Sand ein vestes Getriebe solle tragen können. Ich<br />

habe daran erinnert, dass seit Jahrhunderten das Gebäude der Musik auf den<br />

ästhetischen Bestimmungen der Tonverhältnisse unerschüttert steht. Aber man<br />

kennt die Musik nur aus den Erholungsstunden. (SW Bd. 3, S. 116-17).<br />

b) Der ganze erste „synthetische“ Band der Herbartschen „Psychologie als<br />

Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik“<br />

(1824-25) ist sowohl der Auseinandersetzung mit Kants Verwerfung der<br />

rationalen Psychologie, der Kritik des Ichbegriffs und der konstruktivistischen<br />

Grundlage in der Philosophie Kants und Fichtes gewidmet, als auch der Versuch<br />

gemacht wird, auf der Basis einer Hypothese Attribute einer unausgedehnten<br />

Seelensubstanz zu verteidigen, auf die hier nur am Rande eingegangen werden<br />

kann. Auf Herbarts umstrittene Metaphysik seelischer Realen in Anlehnung an<br />

Leibniz„ Monadenlehre wird hier aus Platzgründen weitgehend verzichtet, und<br />

auch auf Herbarts Seelenmodell einer „Statik und Dynamik der Vorstellungen“,

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