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Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft

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Margret Kaiser-el-Safti 24<br />

einzugehen sein wird, die Richtung von Herbart ausgehend weiterverfolgt und<br />

beide Weisen der Wahrnehmung, das Sehen und das Hören, nach dem<br />

neuesten Wissensstand für die Erkenntnis berücksichtigt werden? Indem<br />

Herbart das sinnlich Gegebene der Erscheinungen zur Grundlage seiner<br />

Erkenntnistheorie erklärte, lag es fast nahe, dass er auf Gestaltgesetze der<br />

Wahrnehmung stoßen musste. Tatsächlich lassen sich diese, wie bereits<br />

angedeutet, auch ausfindig machen, wenngleich ein Rest von Fragwürdigkeit<br />

zurückbleibt.<br />

Es ist falsch oder doch zu pauschal geurteilt, Herbart sei zu den<br />

Elementaristen und Assoziationisten zu zählen (vgl. in diesem Sinne Sachs-<br />

Hombach 2004, S. 217); Herbarts Synechologie verweigert sich dem<br />

Atomismus; die seelischen Realen sollen als unausgedehnte Punkte<br />

(psychische Monaden) vorgestellt werden, nicht als Atome, und es empfiehlt<br />

sich, ,Elemente„ im Sinne des Atomismus und im Sinne des Kontinuums<br />

(unausgedehnte Punkte oder Grenzen) zu unterscheiden. Selbst die<br />

Bezeichnung „Mechanik der Vorstellungen“ lässt nicht pauschal auf einen<br />

naturwissenschaftlich verblendeten Vertreter des Mechanismus schließen.<br />

Herbart spricht sehr wohl von Akten des Vorstellens; seine Ästhetik der<br />

Verhältnisse und seine Urteilslehre widersprechen ohnehin einer derartigen<br />

Stigmatisierung. Dennoch scheint die Frage, wie wir die Formen wahrnehmen<br />

und wie letzten Endes ein „vollendetes Vorstellen“ im Rahmen einer<br />

„Mechanik und Dynamik der Vorstellungen“, nicht definitiv, sondern nur<br />

,apagogisch„ beantwortet worden zu sein, nämlich nicht so, wie Kant sich die<br />

Formwahrnehmung zurechtgelegt hatte, weil nach Kants Prämissen für das<br />

Problem, wie die Geistseele ausgedehnt Körperliches wahrzunehmen<br />

vermöchte, in der Tat keine Lösung gefunden werden konnte.<br />

Herbart bleibt letztlich eine restlos überzeugende Antwort schuldig, weil er<br />

in einem entscheidenden Punkt bei Kant stehen bleibt, indem er dem<br />

Psychischen selbst keine ,Extension‘ im Sinne der Ganzheit appliziert, dafür<br />

aber den Raum als „intelligiblen Raum“ definiert respektive Raum und Zeit so<br />

einander annähert, dass Unterscheidendes quasi entfällt. Herbart deutet auf<br />

eine Verwendung der Begriffe, die sich günstig auf die moderne Physik, aber<br />

nicht auf die Phänomenologie und Psychologie ausgewirkt hat, indem er vom<br />

„Zeitraum“ spricht (vgl. SW Bd. 9, S. 117). Das mag zu der Auffassung von<br />

,Zeit als vierte Dimension des Raumes„ inspiriert haben, wird aber nicht der<br />

Phänomenologie des Sehens noch der des Hörens gerecht. Herbarts Annäherung<br />

von Zeit an Raum und vive versa steht eng in Zusammenhang mit<br />

Herbarts Metaphysik der unausgedehnten Seele, mit der Herbart der Lehre<br />

Kants verbunden bleibt und evozierte psychologisch die weit verbreitete<br />

falsche Auffassung, um Ausgedehntes wahrzunehmen, müsste entweder das<br />

Auge oder (bei blinden Menschen) die Hand vorwärts und rückwärts bewegt

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