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Historischen Teil - Carl Stumpf Gesellschaft

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Margret Kaiser-el-Safti 17<br />

die Herbart anstelle zahlreicher, beliebig zu eruierender Seelenvermögen<br />

durchzusetzen suchte, weil ,Seelenvermögen„ die Psychologie in eine<br />

„Mythologie“ zurückverwandelten, kann nur andeutungsweise Bezug genommen<br />

werden. Herbarts Votum für die Erneuerung der rationalen Psychologie<br />

macht eine aufschlussreiche- und folgenreiche Bemerkung über Kants grundsätzlichen<br />

Irrtum:<br />

Er [Kant] verwechselte das Ich, welches das Behältnis unserer sämtlichen<br />

Vorstellungen zu sein scheint, indem wir sie alle uns zuschreiben, – mit der<br />

Durchdringung dieser Vorstellungen untereinander, vermöge derer sie<br />

verschmelzen oder einander verdunkeln, sich gegenseitig als größer und kleiner,<br />

als ähnlich und unähnlich bestimmen. Hier liegt die Einheit der Komplexion, um<br />

deretwillen eine einzige Substanz für alle anzunehmen ist; jenes Ich, welches nur<br />

als Subjekt des Denkens, und nicht als Prädikat gedacht werden kann, ist dabei<br />

überflüssig (zit. nach Henckmann 1993, S. 284).<br />

Kant hatte das empirische Ich mit der Seele zusammenfallen, das transzendentale<br />

Ich als reine Form definiert und aus beiden die Unmöglichkeit einer<br />

wissenschaftlichen Psychologie hergeleitet. Herbart unterscheidet den metaphysischen<br />

Seelenbegriff vom empirischen Ichbegriff; wenn er für Durchdringung<br />

und Verschmelzung der Vorstellungen votiert, geschieht dies vor dem Hintergrund<br />

der Synechologie, Herbarts Lehre von Raum, Zeit und Materie als etwas<br />

ursprünglich Zusammenhängendes und Stetiges. Diese Lehre ist sowohl Grundlage<br />

für Herbarts Seelenmodell als auch zentraler Kritikpunkt an Kants transzendentaler<br />

Elementarlehre, besonders der transzendentalen Ästhetik. Zunächst soll<br />

kurz auf das Seelenmodell eingegangen, anschließend Herbarts Kritik der<br />

„transzendentalen Ästhetik“ noch etwas näher ins Auge gefasst werden.<br />

Die im ersten Band der Hauptwerkes dargestellte „Statik und Dynamik“ der<br />

Vorstellungen als die einzigen psychischen Elemente konkretisiert Herbarts<br />

Versuch, den Grundwiderspruch im Ichbegriff der idealistischen Philosophie<br />

aufzulösen: Herbart will einerseits die Widersprüche im Ich der idealistischen<br />

Philosophie aufdecken, das sich selbst sowohl zum Subjekt als auch zum Objekt<br />

zu machen vermag und sich infolge dieser Zweideutigkeit in einen infiniten<br />

Regress verliert; er moniert andererseits als die größte Schwäche des Idealismus<br />

dessen fiktionale Ausrichtung, aus dem omnipotenten transzendentalen Subjekt<br />

die Welt als das Nicht-Ich aus dem Ich heraus- und hervortreten zu lassen und<br />

ihm gegenüberzustellen. Dagegen verweist Herbart auf die grammatische Form<br />

des Ich und insistiert darauf, dass dem Ich nicht die Welt gegenüberstünde,<br />

sondern das Du und das Wir begegneten (vgl. SW Bd.6, S. 168 ff.). Während der<br />

Seele Unveränderlichkeit attribuiert wird, betrachtet Herbart das Ich als ein dem<br />

Wechselspiel von Vorstellungstätigkeit, sprachlich-kommunikativer und körperlicher<br />

Entwicklung unterworfenes, als ein bis ins Alter veränderliches

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